Übersteht Renzi das Verfassungsreferendum?
Die Italiener werden noch in diesem Jahr per Referendum über eine von Premier Matteo Renzi vorgeschlagene Verfassungsreform abstimmen. Sie soll die Macht der zweiten Parlamentskammer beschränken und damit mehr Stabilität in das politische System bringen. Der Regierungschef hatte zuvor seine politische Zukunft an den Ausgang des Referendums geknüpft. Für die Presse ist das ein Vabanquespiel.
Premier hält Zeitbombe in den Händen
Warum das italienische Referendum für ganz Europa von Bedeutung ist, erklärt Dilema Veche:
„In Italien geht es im Oktober auch um die politische Zukunft von Premier Renzi. Er muss versuchen, auf die anstehende Finanz- und Bankenkrise eine Antwort zu finden. Die italienische Bankenbranche wird von über 360 Milliarden Euro faulen Krediten und einem jahrzehntelangen Missmanagement belastet. ... Hinzu gesellt sich der Druck durch die Flüchtlinge, denn der Strom kommt nun hauptsächlich über das Mittelmeer. Renzi hält eine wahre Zeitbombe in den Händen. Sollte unter diesen Bedingungen das Referendum fehlschlagen, wird der Premier zurücktreten. Dann folgt unweigerlich der Aufstieg antieuropäischer Bewegungen wie der Lega Nord oder des Movimento Cinque Stelle.“
Diese Reform könnte Italien retten
Eine Niederlage für Renzi im Referendum wäre fatal für Italien, appelliert der Corriere della Sera an die Wähler:
„Die Reform könnte trotz ihrer Mängel zur 'Mutter aller Reformen' werden, weil sie seit Jahren den ersten Versuch darstellt, die parlamentarische Demokratie funktionstüchtig zu machen. Letztere zu reformieren ist der einzige Weg, sie zu retten. Indem man der Politik erlaubt, endlich unpopuläre Reformen in Angriff zu nehmen, die die Politiker bisher tunlichst vermieden haben. … Leider existiert auch bei uns die Gefahr, dass die Wähler gegen ihr eigenes Interesse stimmen, so wie es die Briten taten, weil sie sich auch bei uns von denjenigen 'im System' entfremdet fühlen. Matteo Renzi wird als im System wahrgenommen, obgleich er keine Schuld an den Desastern trägt, die führende Schichten der Vergangenheit zu verantworten haben. Renzi will die Demokratie stärken, indem er dem Parlament seine Legitimierung zurückgibt, nicht schwächen, wie leider viele Wähler glauben.“
Der Premier hat sich verkalkuliert
Das Referendum droht zu einer Denkzettelwahl zu werden, beobachtet auch die Financial Times:
„Renzi hat gesagt, dass er zurücktreten werde, wenn das Referendum nicht das von ihm gewünschte Ergebnis bringt. Das war eine selbstzerstörerische Erklärung, denn damit machte er daraus eine Abstimmung über sich persönlich und die Arbeit seiner Regierung. Das ist stets die Gefahr bei Referenden. Die bewusste Verknüpfung von Renzis Zukunft mit dem Abstimmungsergebnis wird die Menschen nur dazu ermutigen, mithilfe der Wahlurne die Regierung zu bestrafen. Sie werden das deshalb tun wollen, weil sie es wie ein großer Teil der Wahlberechtigten in ganz Europa satt haben. Die Wirtschaft wächst zu langsam, um fühlbaren Nutzen zu liefern. Gleichzeitig wird das Wahlvolk von unendlichen Berichten über Korruption in der politischen Elite abgelenkt.“