Bekommt der Frieden auf Zypern noch eine Chance?
Die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung Zyperns ist noch nicht verloren. Der Präsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiades, und der Anführer der Zyperntürken, Mustafa Akıncı, einigten sich darauf, die Gespräche im Januar fortzusetzen. Kommentatoren fordern Kompromissbereitschaft von beiden Seiten.
Die Zeit ist reif für die Wiedervereinigung
Die Chancen auf eine Wiedervereinigung Zyperns stehen gut, analysiert Cyprus Mail:
„Nach 50 Jahren ergebnisloser Verhandlungen ist es an der Zeit. Der Zeitpunkt für die schwierigen Entscheidungen kann nicht mehr verschoben werden. Im Januar wird es entweder eine Vereinbarung geben und danach ein Referendum abgehalten, oder es wird ein Ende der Gespräche geben. Die bevorzugte Lösung der Verweigerer - nämlich die Teilung - würde dann endgültig. Sie wollen diese endgültige Lösung aber nicht, weil sie dann nicht mehr in der Lage sein werden, den Zypern-Konflikt politisch auszuschlachten und leere Versprechungen und falsche Hoffnungen zu verbreiten. Niemand würde ihnen mehr glauben, wenn dieser Prozess jetzt scheitert, der eigentlich über gute Voraussetzungen verfügt.“
Akıncı steht unter Anastasiades' Pantoffel
In den Zypern-Verhandlungen haben sich beide Seiten unterschiedlich kompromissbereit gezeigt, klagt Hürriyet Daily News:
„Seit Mustafa Akıncı Präsident von Türkisch-Zypern wurde und die Bemühungen an Fahrt aufnahmen, eine föderale Lösung für das Zypern-Problem zu finden, schafften es die Zyperngriechen jedes Mal, wenn das Schiff der Gespräche auf Felsen auflief, einen Bonus zu bekommen, um das Schiff wieder in Gang zu kriegen. Mit der Zeit ist der zyperngriechische Führer, Nikos Anastasiades, ein Experte für Eskapaden geworden und Akıncı, der als Verhandlungsführer perfekt dominiert wird, gibt jedem Wunsch seines Gegenübers nach, wenn auch oft mit Verspätung.“
Erdoğan torpediert Einigungsprozess
Die Gespräche zur Wiedervereinigung des geteilten Zypern sind am türkischen Präsidenten Erdoğan gescheitert, glaubt Der Bund:
„Der Norden ist wirtschaftlich abhängiger denn je von der Türkei. Ankara hält die inoffizielle 82. türkische Provinz nicht nur mit Geld am Leben. Neuerdings kommt sogar das Trinkwasser per Pipeline aus der Türkei. Die Türkifizierung des einst säkularen Inselnordens schreitet rasant voran, getragen von frommen Siedlern. ... Ob die Wiedervereinigung kommt, darüber entscheidet am Ende ein Aussenstehender: der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan. Eine gemeinsame Zukunft für die Insel hängt davon ab, ob er die mehr als 35.000 Soldaten abzieht und Zypern freigibt. In besseren Jahren hätte der Beitritt zur EU ihm einen Anreiz dafür geliefert. Eine Lösung des Zypernkonflikts hätte die Verhandlungen beflügelt. Erdoğan will im Moment aber von der EU nichts wissen. Er wendet sich ab.“
Auf keinen Fall jetzt aufgeben
Trotz des Scheiterns der Gespräche auf Mont Pèlerin gibt es noch Hoffnung, betont Kolumnist Ulaş Barış in der türkisch-zypriotischen Kıbrıs Postası:
„Der Prozess hat in 18 Monaten so ungewohnte Fortschritte gemacht, dass man auch angesichts eines gescheiterten Gipfels nicht behaupten kann, alles sei am Ende. So wie wir nicht sagen können, es sei vorbei, so können wir all die geleistete Arbeit und die erreichte Versöhnung nicht einfach zerknüllen und in den Müll werfen. Sicher, die Situation erscheint hoffnungslos, aber wir dürfen den Prozess nicht sterben lassen. ... Ja, dieser Gipfel, in den wir so viele Hoffnungen gesetzt haben, ist durch die unangebrachten und unangemessenen Forderungen der Griechen gescheitert. Und ich bin der festen Überzeugung, die türkische Seite hat alles getan, was sie konnte. ... Wer eine Lösung will und daran glaubt, sollte den Prozess bis zum Schluss unterstützen.“
Anastasiades muss sich mäßigen
Um den Einigungsprozess zu retten, sollte der Präsident der Republik Zypern über seinen eigenen Schatten springen, schreibt Cyprus Mail:
„Wenn Präsident Anastasiades und der zyperntürkische Führer Mustafa Akinci keinen Weg finden, die festgefahrene Situation in den nächsten Tagen zu überwinden, geht die bislang beste Gelegenheit für eine Lösung für immer verloren. Die Situation kann aber noch gerettet werden. Dafür ist erforderlich, dass Anastasiadis einige der roten Linien überschreitet, die er selbst gezogen hatte. Zum Beispiel ist unbegreiflich, dass er bereit war, die Verhandlungen über die Rückkehr der vertriebenen [zypern-griechischen] Einwohner der Kleinstadt Morphou [im zypern-türkischen Gebiet] aufzugeben. Jetzt muss er vielleicht zustimmen, an einem Fünfergipfel [Griechenland, Türkei, Großbritannien, zyperngriechische und zyperntürkische Führung] teilzunehmen, ohne dass die territorialen Anpassungen und eine Reihe weiterer offener Fragen abgeschlossen sind, um den Einigungsprozess zu retten.“