Sucht Trump den Schulterschluss mit Putin?
Der künftige US-Präsident Donald Trump hat am Montag erstmals mit Wladimir Putin telefoniert. Dem Kreml zufolge haben sich beide für bessere Beziehungen zwischen ihren Ländern ausgesprochen. Doch dass Putin und Trump künftig an einem Strang ziehen werden, ist damit noch lange nicht gesagt, beschwichtigen Kommentatoren.
Trump wird sich nicht um Russland scheren
Das Verhältnis zwischen Moskau und Washington wird sich unter dem neuen US-Präsidenten langfristig kaum bessern, meint die russische Tageszeitung Moskowskij Komsomolez:
„Lassen Sie uns ein Argument dafür finden, warum Trump daran interessiert sein sollte, Russland zu helfen und die US-Politik in diese Richtung zu verändern. In Russland hat er gar keine Interessen. Er ist kein Russe. Freundschaft ist in Politik und Geschäft ein unbekanntes, abstraktes Wort. Auf der Waagschale des neuen Präsidenten liegen einerseits die Interessen der USA, ihrer Unternehmen, der Armee. Hinzu kommen die Risiken, die ihn erwarten, sollte er gegen diese Interessen verstoßen. Auf der anderen liegt das ferne Russland mit seiner schwachen, rohstoffabhängigen Wirtschaft. Was sollte also Trumps Wahl zugunsten der letzteren, offensichtlich leichteren Schale beeinflussen?“
Für Putin könnte die Freundschaft riskant werden
Wladimir Putin könnte böse Überraschungen erleben, wenn er sich auf Trump als neuen Freund einlässt, glaubt Jutarnji list:
„Trump könnte weitaus heftiger als Obama reagieren und es als persönliche Beleidigung auffassen, wenn Putin bilaterale Absprachen bricht. Und Putin bricht ständig internationale Absprachen und Verträge. Die Unvorhersehbarkeit von Trumps Reaktionen könnte zu ernsthaften internationalen Konfrontationen führen. Im schlimmsten Fall würden sich die beiden Länder in einem weiteren regionalen Stellvertreterkrieg wiederfinden. Aber das ist nicht die einzige Gefahr für Putin: Trumps Anti-Establishment-Populismus könnte Nachahmer in Russland finden, wo der Lebensstandard immer weiterer Teile der Gesellschaft aufgrund von Wirtschaftskrise und ausufernder Korruption rapide sinkt. Trump könnte einfache Russen auf die Idee bringen, dass es nicht nur Zeit ist, den Washingtoner Sumpf auszutrocknen, sondern auch den Moskauer.“
USA werden als Feindbild gebraucht
Auch Irish Examiner glaubt, dass eine Annäherung Donald Trumps an Wladimir Putin letzteren vor innenpolitische Probleme stellen könnte:
„Putin hat seine Außenpolitik auf einer einzigen Prämisse aufgebaut: Dass die Vereinigten Staaten von Amerika Russlands größter und in der Tat einziger internationaler Rivale sind. Jede politische Maßnahme, jede Rede, jedes Treffen im Ausland, jede Nachrichtensendung dreht sich um diese zentrale These. Doch was, wenn dieser Feind oder zumindest sein krassestes Zerrbild plötzlich verschwindet? Putin hat nichts, mit dem er die sprudelnde Propaganda über die überheblichen, es stets zu weit treibenden und von Macht besessenen Vereinigten Staaten ersetzen könnte. ... Er könnte sich natürlich nach anderen Gegnern umsehen, etwa Europa oder dem Islamischen Staat. Doch das wird die Russen kaum so stark mobilisieren wie eine alte Supermacht-Rivalität.“