Erste Belastungsprobe für Macron
Richard Ferrand, enger Macron-Vertrauter und neuer französischer Minister für Wohnungsbau, soll laut Medienberichten vor sechs Jahren als Leiter einer örtlichen Krankenversicherung von einem Immobiliengeschäft mit seiner Frau profitiert haben. Rechtlich ist ihm nichts vorzuwerfen, doch Macron und Ferrand waren im Wahlkampf mit dem Versprechen angetreten, die ethischen Standards der Politik zu erhöhen. Hat die neue Regierung den ersten Skandal am Hals?
Nepotismus im postmodernen Gewand
Neben dem Immobiliengeschäft soll Ferrand in seiner Zeit als Abgeordneter für einige Monate seinen Sohn als Assistent beschäftigt haben. Auch unter einem Präsidenten Macron gehört der Nepotismus leider nicht vergangenen Zeiten an, seufzt La Stampa:
„Die Zeiten wandeln sich, doch gibt es Dinge, die immer gleich bleiben. Dazu gehört, dass auch Politiker Familie haben. Und so hält die Postmoderne mit der Prämoderne Schritt. ... Frankreich scheint im neuen Wettstreit des Nepotismus ganz besonders gut abzuschneiden. Es ist noch nicht lange her, da erschütterte Penelope-Gate im Vorwahlkampf der Republikaner die Glaubwürdigkeit von François Fillon, dessen Frau und Kinder als Assistenten Beschäftigung gefunden hatten. Und schon jetzt hat Emmanuel Macron die ersten Scherereien. Er, der Meister des Neuen, der im Wahlkampf mit dem Versprechen der Transparenz auftrumpfte. ... In der Politik gilt eben seit jeher die Regel, sozusagen als verhaltensbiologisches Prinzip, sich immer mit den engsten Vertrauten zu umgeben. Und nichts gewährleistet eine eisernere Treue, als die Blutsverwandtschaft.“
Macron muss Verhaltenskodex durchsetzen
Die neue französische Regierung arbeitet derzeit an einem Gesetz über Moral in der Politik und L'Obs formuliert seine Ansprüche daran folgendermaßen:
„Es geht nicht darum, einer Mode hinterherzulaufen oder von einem Tag auf den anderen eine nordische Demokratie zu werden. Vielmehr geht es darum, einen einfachen und von allen akzeptierten Verhaltenskodex einzuführen, der garantiert, dass jeder die Möglichkeit hat, bei einer Wahl anzutreten, ohne zwangsläufig ein lokaler Baron, weiß, männlich und über 50 sein zu müssen. Dies ist nicht die kleinste Herausforderung, die auf Emmanuel Macron wartet. Der Staatschef wurde gewählt, obwohl er vor drei Jahren noch nichts, beziehungsweise nicht viel war, und hat Frankreich neue Hoffnung und Optimismus eingehaucht. ... Lasst uns hoffen, dass Macron nicht zulässt, dass er durch üble Gerüche der alten Politik verdorben wird.“