AKP will Trauberechtigung für Muftis
In der Türkei sollen kommunale Religionsgelehrte nach einer Gesetzesvorlage künftig rechtlich gültige Trauungen vornehmen dürfen. Bislang hatten dieses Privileg nur die Standesämter, religiöse Trauungen waren eine Ergänzung zur offiziellen Eheschließung. In den türkischen Medien hat der Vorstoß eine emotionsgeladene Debatte ausgelöst.
Ein Fortschritt für gläubige Muslime
Theologe und Journalist Hayrettin Karaman befürwortet die Gesetzesvorlage in Yeni Şafak, weil sie gläubigen Muslime das Leben erleichtert:
„Wenn ein Muslim, der sich auch die religiöse Anerkennung seiner Trauung wünscht, dies etwa im Rahmen der standesamtlichen Trauungszeremonien nicht verwirklichen konnte, ging er entweder vor oder nach der offiziellen Eheschließung zu einem Hodscha und ließ sich durch ihn ein zweites Mal trauen. Falls dieser Entwurf als Gesetz in Kraft tritt, kann jeder wählen, ob er zum Standesbeamten oder zum Mufti geht. Wer zum Mufti geht, wird aufgrund der Tatsache, dass die hier getätigte Trauung den unterschiedlichen Bedingungen und Anforderungen des Islamischen Rechts entspricht, aus seinem Dilemma befreit. Er wird inneren Frieden finden und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“
Gewöhnung an die Scharia
Cemil Kılıç, ebenfalls Theologe, fürchtet bei OdaTV, dass die Türkei bald immer mehr einem Scharia-Staat gleicht:
„Das Thema steht nicht für sich alleine. Vielmehr ist es eine Regelung, die als erforderlich betrachtet wird für ein Staatsmodell im Sinne der Scharia. Die Themen, die in den Lehrplan für das Wahlfach Religion und für die Pflichtfächer Religionskultur und Sittenlehre aufgenommen wurden, um die neue Generation an die Gesetze der Scharia zu gewöhnen, sind Anzeichen dafür, dass die Gesellschaft im Eiltempo in Richtung Scharia gedrängt wird. ... Lasst es uns offen aussprechen: Dass die Muftis das Traurecht bekommen, wird die islamischen Ehe- und Scheidungsgebote legalisieren. Es wird die Türkei auf dem Weg hin zu einem Religions- und Konfessionsstaat in einen dunklen Tunnel zerren.“