Tschechiens neue Regierung im Amt
Acht Monate nach der Wahl ist in Prag die zweite Regierung unter dem Milliardär Andrej Babiš vereidigt worden. Das Kabinett aus liberaler Ano und den Sozialdemokraten ist auf die Duldung durch die Kommunisten angewiesen. Kommentatoren fühlen sich an die Vergangenheit erinnert.
Kafkaeskes Kabinett
Darüber, dass der steinreiche Babiš plötzlich eine Regierung anführt, die soziale Wohltaten verspricht, kann sich Lidové noviny nur wundern und schreibt spöttisch:
„Der zweitreichste Tscheche Andrej Babiš steht an der Spitze einer Regierung, die linker nicht sein kann. Der frühere Unternehmer führt ein Kabinett, dessen Ziel es ist, die größtmögliche Gleichheit herzustellen. Soziale Sicherheit und höhere Löhne stehen über allem. Wie es scheint, kehrt eine Art Sozialismus mit menschlichem Antlitz - wie 1968 im Prager Frühling - zurück. Kafkaesk. Umfragen sagen, schon jetzt fühlten sich neun von zehn Tschechen glücklich bis sehr glücklich. Da legt die Regierung noch drauf, mit höheren Renten und freien Bahnfahrten für Rentner und Kinder. Fehlen nur noch die Kredite für junge Eheleute von einst. Ähnliches ist aber auch schon geplant.“
Ernennungstag schlecht gewählt
Wie die bürgerliche Opposition stößt sich auch Aktuálně.cz daran, dass die erste Regierung seit 1989, die von der Zustimmung der Kommunisten lebt, ausgerechnet am Gedenktag für die Opfer des Kommunismus ernannt wurde:
„Das Datum hat eine starke Symbolik. Es zeigt, wo wir nach 29 Jahren hingeraten sind. Der 27. Juni erinnert an das Jahr 1950, als die Widerstandskämpferin Milada Horaková am Ende eines politischen Prozesses hingerichtet wurde. Von den Kommunisten. An diesem Tag eine Regierung mit Unterstützung der Kommunisten zu installieren, ist geschmacklos und zynisch. Da müssten eigentlich alle roten Lampen leuchten. Diese Regierung disqualifiziert sich auf diese Weise als Trägerin des nationalen Gedächtnisses.“