8. März: Feier-, Kampf- oder Trauertag?
Zum Internationalen Frauentag sind am Sonntag weltweit Menschen auf die Straße gegangen, um gleiche Rechte für Frauen in Wirtschaft, Familie und Gesellschaft einzufordern. Einige Kommentare betonen die bisherigen Erfolge der Bewegung, in anderen ist die Ernüchterung über die allzu langsame Entwicklung spürbar.
Gesellschaft altert auf dem Rücken der Frauen
Die Journalistin und Schriftstellerin Audronė Urbonaitė wirft in Delfi ein Schlaglicht auf die ungleiche Lastenverteilung in der häuslichen Pflege:
„Etwa 7,7 Mio. Frauen in der EU sind gezwungen, ihren Arbeitsplatz aufgrund ihrer Verpflichtungen gegenüber der Familie, dem Haushalt und ihren alternden Familienmitgliedern aufzugeben. Es gibt mehr solcher Pechvogel-Frauen, als es Einwohner in Dänemark gibt. ... Hingebungsvolle Männer gibt es in der EU hingegen nur 450.000 - weniger als das winzige Luxemburg Einwohner hat. ... Anfangs versuchen diese Frauen noch, die Pflege mit ihrem Job zu vereinbaren. Bald wird klar, dass das nicht geht. Die Frauen wechseln zu weniger verantwortungsvollen Jobs, die höchstwahrscheinlich befristet und in Teilzeit sind, die keine stabilen Einnahmen garantieren und negative Auswirkungen auf ihre Renten haben.“
Dieser Tag muss nerven
Der Weltfrauentag ist kein Feiertag, sondern ein Kampftag, findet der Kurier:
„Der Weltfrauentag entstand vor mehr als 100 Jahren aus einem traurigen Anlass – der Ungleichbehandlung zwischen Mann und Frau. Mutige Frauen gingen auf die Straße und kämpften darum, endlich wählen und damit in der Gesellschaft mehr mitbestimmen zu dürfen. ... Seither umweht ein revolutionärer Geist diesen Kampftag im März. Erinnert er doch daran, was in Sachen Gleichberechtigung weltweit noch immer schiefläuft. Er ist eine jährliche Bestandsaufnahme in Sachen Diskriminierung, Gewalt an Frauen, Frauenrechte, Lohngerechtigkeit oder Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Themen sind zeitlos und müssen nerven, um nicht im Alltag unterzugehen.“
Chancengleichheit bleibt ein ferner Traum
Die rumänische Journalistin Andrea Ghiţă erklärt auf republica.ro, warum ihr am 8. März nicht zum Feiern zumute ist:
„Die Chancengleichheit hat sich noch lange nicht erfüllt, zumindest in Rumänien nicht. ... Zu wenige Frauen sind in Managementfunktionen, und die Arbeitslosigkeit ist unter Frauen sehr viel höher als unter Männern. Solange Massen von Frauen bepackt mit Taschen, müde zum zweiten (oder dritten) Job gehen, um zu kochen und zu fegen; solange sie am Fuße eines Berges schmutzigen Geschirrs oder dreckiger Wäsche stehen und neben ihren betrunkenen, brutalen und gleichgültigen Männern; solange der Weg vieler junger Frauen zu einem Job durch das Bett des Arbeitgebers geht, solange mag ich den 8. März nicht.“
Die Erfolge nicht vergessen
Der Zug der Gleichberechtigung rollt zwar langsam, aber er ist nicht aufzuhalten, meint die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Natürlich gibt es zu wenige Frauen an der Spitze von Parteien und in Dax-Vorständen; zu viele Frauen verbringen mehr Zeit im Haushalt als im Büro, zu viel Potential verkümmert am Spülbecken. ... Die Ernüchterung, die sich bei vielen Frauen darüber breit macht, sollte die Erfolge nicht verdecken: Mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit führt eine junge Frau die Weltklimabewegung an. Ursula von der Leyen sitzt als neue EU-Kommissionspräsidentin fest im Sattel. Noch wichtiger sind die Bemühungen auf anderer Ebene: Konzerne, die weibliches Führungspotential aufbauen und Väter in die Elternzeit schicken. Und der Zeitgeist tut dazu, was er am besten kann: offensiv Druck ausüben.“
Frauenrechte nützen auch Männern
Der Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter ist im Interesse aller, streicht The Guardian heraus:
„Es gibt eine Reihe von Beweisen dafür, dass Männer davon profitieren, in Gesellschaften mit einem höheren Grad an Gleichberechtigung zu leben, und dass Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung die Lebensqualität aller Menschen verbessern, nicht nur die der Frauen. Ein kürzlich veröffentlichter WHO-Bericht, in dem 41 europäische Länder verglichen wurden, zeigt, dass Männer in Gesellschaften mit größerer Geschlechter-Ungleichheit gesundheitlich schlechter dastehen - eine geschlechterbasierte Arbeitsteilung schadet sowohl Männern als auch Frauen. ... Vielleicht sollten sich mehr Männer an Kampagnen für die Gleichstellung beteiligten. Nicht nur, um zu signalisieren, dass sie die guten Jungs sind, sondern auch aus aufgeklärtem Eigeninteresse.“