Johnsons Asyl-Abkommen mit Ruanda
Die britische Regierung will ankommende Geflüchtete für ihr Asylverfahren in das 6.500 Kilometer entfernte Land Ruanda ausquartieren. Auch bei Anerkennung als Asylberechtigte sollen sie in Ruanda bleiben. Aufgrund der schlechten Menschenrechtslage in Ruanda und dem autoritären Regierungsstil von Präsident Kagame wird das Abkommen scharf kritisiert. Die Presse ist gespalten.
Ablenkungsmanöver vor den Kommunalwahlen
Johnson will neue Themen auf die Agenda setzen, meint Le Monde.
„Indem er verspricht, die Bearbeitung von Asylanträgen nach Ruanda 'auszulagern', will der britische Premierminister Migranten davon abhalten, den Ärmelkanal zu überqueren. Vor allem aber versucht er drei Wochen vor den Kommunalwahlen, die seiner Partei gefährlich werden könnten, die Aufmerksamkeit der Wähler vom Skandal um die Geldstrafe abzulenken, die er wegen des Verstoßes gegen Corona-Regeln bezahlen musste. Johnson stellt das neue Verfahren als 'Brexit-Dividende' dar, die sein Versprechen erfüllt, die Kontrolle über die Grenzen zurückzugewinnen. Zudem versucht er, die negativen wirtschaftlichen und diplomatischen Folgen des EU-Austritts vergessen zu machen.“
Ein guter, christlicher Plan
Dass Justin Welby als Oberhaupt der anglikanischen Kirche das Vorhaben in seiner Osterpredigt kritisierte, kann The Daily Telegraph nicht verstehen:
„Es geht nicht darum, rachsüchtig auszuteilen, sondern darum, das größere Übel zu verhindern: Menschenschmuggel. Tausende Migranten, viele von ihnen junge Männer auf der Suche nach Wohlstand, die nicht vor Verfolgung fliehen, zahlen hohe Summen, um durch absolut sichere Länder zu reisen und dann den Ärmelkanal zu überqueren. ... Linke Kritiker der Ruanda-Politik sollten erklären, was sie stattdessen vorschlagen würden. Die Boote weiterfahren lassen? Jedem, der es will, erlauben, hierher zu kommen, auf welchem Weg auch immer? Das würde zu einem unchristlichen Resultat führen, nämlich dem Überleben des Stärksten in der Welt.“
Gewissen outsourcen
The Independent kritisiert die Rigorosität des Ruanda-Plans:
„Damit der Plan aufgeht [von der Flucht nach Großbritannien abzuschrecken], müssen diejenigen, die dorthin verschickt werden, Angst vor den Bedingungen haben, die sie vorfinden werden. Grausamkeit und Leid sind also Grundzutaten des Plans. ... Ähnliche Offshore-Zentren, wie sie sich Australien ausgedacht hatte, wurden zu verwahrlosten humanitären Katastrophengebieten. Darüber hinaus gelten ziemlich willkürlich (und fehlerhaft) Regeln für Flüchtlinge aus der Ukraine, Hongkong und Afghanistan und andere für Flüchtlinge aus dem Rest der Welt. ... Man bezahlt also ein armes Land dafür, dass es hilflose Flüchtlinge aufnimmt, um sie zu vergessen und Großbritanniens nationales Gewissen auszulagern.“