Energiekrise: Saudischer Kronprinz wieder salonfähig?
Nach dem Mord an Jamal Khashoggi, der mutmaßlich vom saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman in Auftrag gegeben wurde, war dieser seit 2018 nicht mehr in EU-Ländern empfangen worden. Doch nun traf der umstrittene Thronfolger in Athen Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Paris. Die Energiekrise macht es möglich, meinen Kommentatoren.
Kein Wort über Menschenrechte
Saudi-Arabien und Griechenland haben beim Besuch von bin Salman am Dienstag in Athen ein neues Energieabkommen unterzeichnet. Documento rügt die Haltung von Premier Mitsotakis :
„Hat er tatsächlich kein Problem damit, dass er als demokratisch gewählter Premier eines europäischen Landes kein halbes Wort über die Notwendigkeit der Achtung der Menschenrechte gegenüber einem Mörder und Entführer verliert? ... Im Fall von Mitsotakis ist die Antwort überflüssig. Der Mann, der mit dem Führer eines der autoritärsten Länder der Welt Beziehungen pflegt, ist derselbe Mann, der für die Zerstörung der Pressefreiheit in Griechenland, die gezielte Verfolgung von Journalisten und die blutige Abschiebepolitik verantwortlich ist.“
Zeit für Realpolitik
Le Point setzt auf den französischen Präsidenten:
„Emmanuel Macrons Ziel ist es sicherlich, erneut Druck auf den saudischen Herrscher auszuüben, damit er die Ölproduktion erhöht. Für dieses Problem gibt es bisher keine Lösung, weil die Organisation erdölexportierender Länder Opec gemeinsam von Riad und Moskau geleitet wird! ... Es ist dringend notwendig, wieder mehr Realpolitik zu betreiben, um Frankreich und Europa mehr Autonomie gegenüber dem russischen Monstrum zu verschaffen, das bis zum Krieg fast 20 Prozent unseres Energiebedarfs, insbesondere an Gas, deckte – und dabei die Frage der Menschenrechte in den Hintergrund zu drängen. Emmanuel Macron weiß das. Er hat seine internationalen Beziehungen stets gepflegt, manchmal sogar unter Missachtung der wichtigsten französischen Werte.“
Wie ein Sonnenprinz
Ein Staatsbankett erhält der umstrittene Gast zwar nicht, die heftigen Proteste gegen ihn sind aber verständlich, findet La Repubblica:
„Mohammed bin Salman kommt nach Frankreich wie ein Sonnenkönig, zumindest nach der Wahl der Residenz zu urteilen. Sein Schloss in Louveciennes, nur einen Steinwurf von Versailles entfernt, ist ein moderner Palast, von der Pracht Ludwigs XIV. inspiriert und vor einem Jahrzehnt von Emad Khashoggi, dem Cousin des 2018 ermordeten Journalisten, erbaut. Es ist eines der vielen Paradoxe des Besuchs des saudischen Prinzen - dem ersten, seit er von der internationalen Gemeinschaft wegen des barbarischen Mordes geächtet wurde. ... Macron ist [etwa] nicht verlegen, den Prinzen zu einem Arbeitsessen im Elysée-Palast zu empfangen.“
Erneuerbare Energien bitte sofort!
Die internationale Rehabilitation bin Salmans ist nun abgeschlossen, stellt Der Tagesspiegel fest:
„Knapp vier Jahre hat die Ächtung bin Salmans gedauert. Die explodierenden Energiepreise machen ihn nun wieder hoffähig. Das nennt man Realpolitik und ist angesichts der drohenden Notlagen in westlichen Gesellschaft nötig. Nur untergräbt diese Beziehungspflege natürlich das Argument derer, die im Namen des internationalen Rechts die Beziehungen zu Russland entflechten wollen und dafür auf Energie verzichten. Daher: erneuerbare Energien bitte sofort und überall – auch damit man nicht mehr den roten Teppich vor üblen Herrschern ausrollen muss, die zufällig im Besitz von Bodenschätzen sind.“