Was hatte das FBI auf Trumps Anwesen zu suchen?
Nach der Durchsuchung des Anwesens von Donald Trump durch das FBI sind die USA in Aufruhr. Der Ex-Präsident, der sich parallel im Zivilverfahren gegen den Trump-Konzern verantworten muss, beschuldigt Amtsinhaber Biden, von der Aktion gewusst zu haben. Trump-Anhänger protestieren auf den Straßen. Auch in Europa bewerten Kommentatoren die in der US-Geschichte beispiellose Aktion höchst unterschiedlich.
Lebenszeichen des Rechtsstaats
Der Tages-Anzeiger findet es beruhigend, dass die Justiz handlungsfähig bleibt, obwohl sie unter Trumps Regentschaft enorm beschädigt wurde:
„Und dieser Schaden ist nachhaltig, weil die grosse Mehrheit der Republikaner bei Trumps absurdem Lügenzirkus mitmacht. … Exponenten der Partei schüren lautstark die Wut auf das FBI, die Demokraten und Joe Biden, von 'Polizeistaat', 'Bananenrepublik' und 'korrupten Faschisten' ist die Rede. … Drohende soziale Unruhen und sogar politische Gewalt nehmen sie in Kauf. Angesichts dieser Gefahr auf die Hausdurchsuchung in Mar-a-Lago zu verzichten, wäre jedoch einer Kapitulation vor Trump und seiner antidemokratischen Bewegung gleichgekommen. Der FBI-Einsatz ist deshalb ein Lebenszeichen des amerikanischen Rechtsstaats.“
Aktion könnte nach hinten losgehen
Das Justizministerium setzt seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel, meint Večernji list:
„Die Durchsuchung des Anwesens des Ex-Präsidenten - denn noch nie wurde bisher das Privatheim eines ehemaligen Präsidenten durchsucht - stellt ein hohes Risiko für das Justizministerium dar. ... Die Entscheidung für eine Durchsuchung stellt die Glaubwürdigkeit dieses Ministeriums einige Monate vor den Kongresswahlen im Herbst aufs Spiel, während das Land weiter stark polarisiert ist. Sollte die Suche nach geheimen Dokumenten fehlschlagen und der Staatsanwalt keine stichhaltigen Beweise für eine Straftat finden, könnte sich die Sache als weitere nach hinten losgegangene Maßnahme gegen Trump entpuppen.“
Fast wie in einer Bananenrepublik
Echo24-Kommentator Daniel Kaiser befürchtet, dass das FBI hier für politische Zwecke missbraucht wurde:
„Wäre dies in einem anderen Land geschehen, schrieb der angloamerikanische Populist Raheem Kassam, hätte das US-Außenministerium bereits eine Protestnote verschickt und begonnen, die Opposition zu finanzieren. ... In das Haus des Politikers einbrechen, von der Toilette bis zu den Safes alles durchsuchen, die Materialien in Säcken sammeln, weggehen - und sie dann durchwühlen, in der Hoffnung, dass sie etwas Substanzielles enthalten. Das ist eine historische Wendung zum Schlechteren, Trump-Anhänger sind wütend. Wird Amerika vom Leuchtfeuer der Freiheit zu einer Bananenrepublik, in der das Recht von politischen Erwägungen abhängt?“
Das Image von Trump hat stark gelitten
Die Anhörungen zum 6. Januar hatten sicherlich Einfluss auf die Entscheidung der Behörden, glaubt The Guardian:
„Die im Fernsehen übertragenen Anhörungen stellten Trump als jemanden dar, der sich der Haltlosigkeit seiner Wahlbetrugsvorwürfe bewusst und der darauf aus war, die Sicherheit anderer zu riskieren, indem er den Aufstand nicht absagte. Außerdem wurde er als launisch und kindisch beschrieben, weil er beispielsweise einen Teller mit Ketchup an eine Wand im Weißen Haus warf. Die Vorstellung, dass der Sinneswandel des Justizministeriums nichts mit den Anhörungen zu tun habe, wäre naiv.“
Nicht über dem Gesetz
Hier geht es um die Untersuchung schwerer und relevanter mutmaßlicher Straftaten, erinnert De Telegraaf:
„Anscheinend steht Trump in den Augen seiner Anhänger als einziger Amerikaner über dem Gesetz. Das sieht die Justiz natürlich anders. ... Trump soll illegal geheime Präsidenten-Dokumente aus dem Weißen Haus entwendet haben. Dabei geht es um eine Straftat, die mit einer Gefängnisstrafe bestraft wird sowie mit einem Verbot, ein föderales Amt auszuüben. Diese letztere Strafe ist brisant angesichts der möglichen Teilnahme von Trump am Rennen um die Präsidentschaft 2024 und führt zu Spekulationen über das Ende seiner politischen Laufbahn. Das aber steht sicher noch nicht fest.“