Lettland: Ringen um Abschottung von russischem Einfluss

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu enormen Auswirkungen auf die lettische Medienlandschaft geführt: Ab 2026 sollen die öffentlich-rechtlichen Medien keine Inhalte auf Russisch mehr anbieten.

Am 24. Feburar 2022, Tag des Beginns des russischen Großangriffs auf die Ukraine, demonstrieren Letten vor der russischen Botschaft in Riga. (© picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Roman Koksarov)
Am 24. Feburar 2022, Tag des Beginns des russischen Großangriffs auf die Ukraine, demonstrieren Letten vor der russischen Botschaft in Riga. (© picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Roman Koksarov)
Was tun mit russischsprachigen Inhalten?
Traditionell war die Medienlandschaft Lettlands zweisprachig geprägt: Lettisch und Russisch. Der am 24. Februar 2022 begonnene russische Angriffskrieg gegen das gesamte Territorium der Ukraine änderte die Einstellung gegenüber Russland und der russischen Sprache. 2023 entschied das lettische Parlament im Rahmen des Nationalen Sicherheitskonzepts, ab 2026 russische Inhalte aus den öffentlich-rechtlichen Medien zu streichen.

Eine umstrittene Entscheidung: Vertreter der russischsprachigen Medien widersprechen dem Argument, dass in der lettischen Medienlandschaft zwei durch die Sprache bestimmte unterschiedliche Diskurse existieren. Bei russischsprachigen Inhalten müsse zwischen in Russland und lokal produzierten Inhalten differenziert werden. Private Medien wie die Tageszeitung Neatkarīgā, das Onlineportal Delfi oder das Internetportal Tvnet wollen aufgrund der beträchtlichen Reichweite weiterhin russische Inhalte anbieten. Für Wirbel sorgte auch die Entscheidung, dem unabhängigen russischen Exil-TV-Sender Doschd die lettische Sendelizenz zu entziehen.

Nähe zu Oligarchen
Finanziell stehen lettische Medien vor großen Herausforderungen: Die Nachwirkungen der Covid-19-Pandemie, die Energiekrise, der Wandel von Print- zu Online-Medien und die Inflation machen es schwierig, Profite zu erwirtschaften.

Viele private Medien stehen im Verdacht, eng mit den Oligarchen des Landes verbandelt zu sein. So wurde in einem im Frühjahr 2023 eingeleiteten Gerichtsverfahren deutlich, dass Oligarchen über als Darlehen getarnte Zahlungen mutmaßlich Einfluss auf die Verlage Dienas mediji und Dienas bizness (Tageszeitung Diena) ausübten.

Die große Tageszeitung Neatkarīgā gehörte von 1999 bis 2016 dem Oligarchen Aivars Lembergs, der von 1988 bis 2021 auch Bürgermeister der Stadt Ventspils war und schließlich wegen Bestechung, Geldwäsche und Verschleierung seines Vermögensverhältnisse zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Der Neatkarīgā herausgebende Verlag Mediju nams gehörte zwischenzeitlich dem Bruder von Lembergs Schwiegertochter, bevor er 2022 an Anastasija Udalova verkauft wurde – der Partnerin von Oleg Ossinovski, dem ehemals reichsten Mann Estlands.

Vermischung von Nachrichten und Meinungen
In Lettland existieren drei konkurrierende journalistische Kulturen. Vor allem in vielen russischsprachigen Medien werden oft Nachrichten und Meinungen vermischt. Daneben gibt es eine instrumentelle und autoritäre (postsowjetische) Journalismus-Kultur, oft gekennzeichnet von der erwähnten mangelnden Distanz zu Machthabern in Politik und Wirtschaft. Als drittes gibt es aber auch Redaktionen, die hohe journalistische Standards einhalten.

Ein Beispiel für die letztgenannte Kategorie ist der Enthüllungsjournalismus, in dem Lettland unter den nord- und osteuropäischen Ländern mit innovativen Projekten hervorsticht. Das Leuchtturm-Projekt ist das durch Spenden und internationale Stipendien finanzierte Zentrum für Enthüllungsjournalismus Re:Baltica.

Auch in den öffentlich-rechtlichen Medien wird der Enthüllungsjournalismus ausgebaut. Die Sendung "De facto" des Fernsehsenders LTV berichtet wöchentlich über Korruption. Die LTV-Sendung "Aizliegtais paņēmiens" (Verbotenes Manöver) pflegt seit 2013 ein einmaliges Format, das auf verdeckten Recherchen basiert. Auch die Sendung "Nekā personīga" (“Nichts persönliches”) auf TV3 analysiert einmal wöchentlich aktuelle Vorfälle der Politik. Ein Teil dieses Enthüllungsjournalismus – wie ihn auch die Wochenzeitung Ir und das Onlineportal Delfi pflegen – wäre ohne die Finanzierung durch einen staatlichen Fonds für Medienunterstützung nicht realisierbar.


Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen): Platz 16 (2023)

Stand: November 2023
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