Die Niederlande waren in den vergangenen Jahren immer wieder gut als Trendsetter für neue Medien und Formate. Und doch sind die traditionellen Medien noch nicht am Ende. Die Vielfalt der Tageszeitungen bleibt enorm: fünf überregionale Tageszeitungen sowie starke Regionalblätter in einem Land mit nur gut 17 Millionen Einwohnern.
Niederlande: Vielfalt trotz Duopol
Der Journalismus steht aber unter Druck durch Stimmungsmache in den Sozialen Medien und von Rechtspopulisten gegen eine angeblich linke Berichterstattung. Auch die Bedrohung von Journalisten nimmt deutlich zu – zunehmend auch durch organisierte Kriminalität. Im Sommer 2021 wurde der populäre Kriminalreporter Peter R. de Vries mitten in Amsterdam ermordet, vermutlich im Auftrag der Drogenmafia.
Eine schillernde Figur auf dem TV-Markt ist der Medienunternehmer John de Mol, der mit Formaten wie Big Brother oder The Voice das europäische TV grundlegend verändert hat und Milliarden verdiente. Nach einem gescheiterten Abenteuer auf dem Printmarkt wollte er mit seinem Konzern Talpa und RTL Nederland zu einem großen Spieler auf dem TV- und Radiomarkt werden. Doch die Fusion scheiterte am Nein der Wettbewerbshüter.
Bei den Tageszeitungen ist die Digitalisierung weit fortgeschritten: Nur noch knapp jeder dritte liest eine Papier-Zeitung. Die digitale Zeitung aber ist crossmedial. Auch Zeitungen setzen auf Video und Audio, und der Podcast hat sich als neue Form etabliert.
Die Besitzer der Zeitungen sitzen in Belgien
Seit mehr als einem Jahrzehnt beherrscht ein flämisches Duopol die Zeitungslandschaft. Fast alle Zeitungen sind in belgischer Hand. Der Verlagskonzern DPG Media (früher Persgroep) kaufte den niederländischen Verlag PCM Uitgevers (Trouw und De Volkskrant) und den Zeitschriftenverlag VNU Media und hält nun rund 50 Prozent am Zeitungsmarkt. Ende 2019 übernahm der Konzern auch die niederländischen Titel des finnischen Zeitschriftenverlags Sanoma. Dazu gehört auch nu.nl, das größte Nachrichtenportal des Landes.
Zweiter großer Spieler ist das belgische Mediahuis, das 2015 das damalige NRC Handelsblad – heute NRC – übernahm. Die Flamen kauften unter anderem noch De Telegraaf, die größte Zeitung des Landes, und halten nun etwa 40 Prozent des Zeitungsmarktes.
Verleger bieten Facebook und Google die Stirn
Von der Kostenersparnis durch gemeinsamen Kauf von Papier, beim Drucken und in der Logistik sowie im Management profitieren die Zeitungen. Doch inhaltlich führte es zu einer Verarmung, klagen Journalisten und Gewerkschaften. Denn immer mehr Artikel werden einfach ausgetauscht. Und die Konzentration bedrohe auch die Demokratie, warnen Medienorganisationen. Denn die Meinungsvielfalt werde so klammheimlich ausgehöhlt. Andererseits sichert gerade die Effizienz die Vielfalt. Denn regionale Blätter können nur durch die Kostenersparnis überleben – und das auch noch gut.
Bisher halten sich Vor- und Nachteile die Waage. Die belgischen Verleger investieren und erzielen Erfolge. Und sie hoffen, dass sie Facebook und Google auf dem umkämpften Anzeigenmarkt langfristig die Stirn bieten können.
Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen): Platz 28 (2022)
Stand: Februar 2023