Ist Finnlands Steuertransparenz sinnvoll?
Die finnischen Medien haben in dieser Woche - wie jedes Jahr - eine Liste mit den Steuerdaten von Prominenten, Wohlhabenden und Politikern veröffentlicht. Journalisten diskutieren, inwieweit die Daten einen Beitrag zur Transparenz leisten oder ob sie in manchen Fällen schlicht Voyeurismus befriedigen und Neid schüren.
Voyeurismus macht unglücklich
Ein Großteil der veröffentlichten Daten erfüllt keinen nennenswerten Zweck, klagt Lapin Kansa:
„Öffentliche Steuerdaten sind eine finnische Besonderheit mit gesellschaftlicher Relevanz. Transparenz ist wichtig, beispielsweise im Hinblick auf Unternehmenskäufe oder die Einkommen wichtiger Entscheidungsträger sowie für das Erkennen von Veränderungen in der Gesellschaft. Aber es kann nicht von Bedeutung sein, wie viel ein aus dem Reality-TV bekannter viertklassiger Promi verdient. … Laut einer amerikanischen Studie liegt die Grenze, hinter der das Glücksempfinden nicht mehr ansteigt, bei 75.000 Dollar Jahreseinkommen. Das ist in Finnland keine unmöglich zu erreichende Summe. Eines ist aber sicher: Es macht nicht glücklicher zu wissen, wie viel jemand anderes verdient.“
Kein Grund für schlechtes Gewissen
Die Medien sollten offen und ohne Gewissensbisse zu ihrer gesellschaftlichen Funktion stehen, findet Ilta-Sanomat:
„Hin und wieder fordern Politiker die Geheimhaltung der Steuerdaten. Diese Forderung wurde stets abgewehrt und das wird auch so bleiben. Dennoch muss man sich über die Einstellung der Medien zur Veröffentlichung der Daten wundern. Muss man wirklich umständlich um Entschuldigung bitten und die Bedeutung der Steuerdaten betonen, um zu begründen, warum man diese verantwortungsvoll veröffentlicht? Nein, es sind doch, wie der Name schon sagt, öffentliche Daten. … Wenn man in der Berichterstattung vorab um Entschuldigung für die Veröffentlichung bittet, erweckt man den Eindruck, dass ein Teil der Medien die Daten lieber nicht öffentlich machen will.“
Verdienter Reichtum schürt keinen Neid
Die Veröffentlichung von Steuerdaten hat eine wichtige gesellschaftliche Funktion, betont Maaseudun Tulevaisuus:
„Die Listen mit den Steuerdaten werden auch als Klatschlisten bezeichnet. Die Bezeichnung ist nicht ganz zutreffend, denn offene Steuerdaten nehmen dem Klatsch die Grundlage und schaffen die Möglichkeit für eine sachliche Diskussion. Öffentlich zugängliche Steuerdaten sind ein wesentlicher Teil der gesellschaftlichen Transparenz. Offenheit bricht Insiderkreise auf, erschwert kriminelle Aktivitäten und dämpft die Maßlosigkeit. Der Arbeiter hat seinen Lohn verdient und für harte Arbeit kann man durchaus auch einen sehr guten Lohn bekommen. Verdienter Erfolg hält einer Durchleuchtung stand.“
Gerechtigkeit wird nicht gefördert
Am positiven Effekt der Veröffentlichung von Steuerdaten zweifelt hingegen Lapin Kansa:
„Nach verbreiteter Vorstellung stärkt solch eine Offenheit das Vertrauen des Volkes in die Gesellschaft. Aber stärkt sie es wirklich oder nimmt durch die Steuerklatschlisten nur der Neid zu? Offenheit und Transparenz sind – oder sollten es zumindest sein – ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie, aber in diesem Fall ist die Sache nicht so einfach. … In Finnland glaubt man, dass, wenn der Normalbürger sein Einkommen mit der Lohntüte des Chefs vergleicht, Maßhalten und Gerechtigkeit gefördert werden. Allerdings haben die Einkommensunterschiede insbesondere in den Jahrzehnten der Steuertransparenz zugenommen. Die Reichen sind reicher geworden, während die Kaufkraft der Armen geschwächt wurde. Natürlich kann man fragen, ob die Kluft zwischen Wohlhabenderen und Ärmeren noch größer wäre, wenn die Steuerdaten nicht öffentlich wären.“