Angriff auf Sumy: Ist ein Ukraine-Deal noch realistisch?
Nach dem Tod von über 30 Menschen bei einem russischen Raketenangriff auf das nordostukrainische Sumy am Sonntag sprach US-Präsident Trump von einer "schrecklichen Sache". Diese Woche sollen die russisch-amerikanischen Verhandlungen weitergehen, aber nur zum Thema einer Waffenruhe auf dem Schwarzen Meer. Die Medien fragen sich, ob Trumps Friedensinitiative noch zum Erfolg führen kann - und was Europa jetzt tun kann.
Washington durchschaut Putin nicht
Die USA fassen den Kriegsverbrecher Putin bisher mit Samthandschuhen an, ärgert sich Gazeta Wyborcza:
„Putin ist wie ein Terrorist, der in ein Büro eindringt, Geiseln nimmt und der Welt seine Bedingungen präsentiert. Weil diese nicht erfüllt werden, tötet er seine Gefangenen einen nach dem anderen. Putins Geiseln sind die Menschen in der Ukraine, auf die er am helllichten Tag Sprengköpfe wirft. Für ähnliche Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs schickte das Nürnberger Tribunal deutsche Staatsführer an den Galgen. Putin braucht dies nicht zu fürchten, er kann offenbar weiter morden, solange die Amerikaner ihn nicht durchschauen und aufhören, um ihn herumzutänzeln.“
Mit Leichen auf dem Tisch verhandeln
Der Angriff auf Sumy ist eine gezielte Provokation Putins gegenüber den USA und Europa, urteilt ABC:
„Wladimir Putin lässt in Sumy Zivilisten umbringen, aber sein Ziel ist nichts anderes, als Washington zu trotzen, sich gegenüber den USA zu profilieren und jeden Friedensplan in Frage zu stellen, der ihm von Trump auferlegt wird. Dieses Palmsonntags-Massaker ist ein Warnsignal an die USA und vor allem an ein Europa, das angesichts des vom Weißen Haus geplanten militärischen Rückzugs noch immer über die Einzelheiten einer künftigen 'Aufrüstung' debattiert. ... Putin bevorzugt Fakten und legt die Toten auf den Tisch.“
Trump muss die Peitsche auspacken
Bisher hat Putin den US-Präsidenten vorgeführt, meint die Kleine Zeitung:
„Während die Ukraine im März einer 30-tägigen Waffenruhe zugestimmt hat, ist nun sogar diese Frist abgelaufen, ohne dass der Kreml-Chef eingelenkt hätte. … Nur Zuckerbrot allein hat den russischen Staatschef herzlich wenig beeindruckt. … Nun wächst selbst im Kreis der Republikaner der Druck auf Trump, sich von Putin nicht am Bandel führen zu lassen. In Erwägung zog Trump nun selbst, Strafzölle in Höhe von 25 bis 50 Prozent auf russisches Öl zu verhängen, sollte es innerhalb eines Monats keine Waffenruhe geben. … Militärexperten halten es auch für möglich, dass Trump, sollte ihm endgültig der Geduldsfaden reißen, die Ukraine nicht weniger, sondern sogar deutlich stärker bewaffnen könnte.“
Vorläufige Eskalation passt Russland
Das kremlnahe Radio Kommersant FM skizziert eine mögliche Entwicklung, die Putin und Trump, nicht aber der Ukraine recht wäre:
„Von einem Frieden ist weit und breit nichts zu sehen. Genau das Gegenteil ist der Fall, es geschieht eine Eskalation, die in gegenseitige Erbitterung mündet. ... Im Großen und Ganzen passt Russland diese Variante. Offensichtlich setzt man auf militärische Siege, um den ganzen Donbass einzunehmen. ... Und dann löst sich die Frage von selbst, und man kann einem von Donald Trump vorangetriebenen Waffenstillstand zustimmen. Sollte das verhältnismäßig schnell geschehen, kann Letzterer Rechnung ablegen über seinen großen Erfolg, denn dann wäre ja auch irgendwie Frieden eingekehrt.“
Europa kann und muss etwas tun
Es ist nicht zu spät für entschlossenes europäisches Handeln, so Paolo Mieli, früherer Chefredakteur von Corriere della Sera:
„Selenskyj kümmert sich nicht um diejenigen, die ihm vorschlagen, einen 'ungerechten Frieden', selbstredend zu seinem Besten, zu akzeptieren. Er wehrt sich für sich selbst, für sein Volk. Aber auch, um Europa Zeit zu geben, sich angemessen zu rüsten, um auf neue Improvisationen Putins reagieren zu können. … Wir sind davon überzeugt, dass Europa, das endlich wieder mit Großbritannien vereint ist, seiner Pflicht nachkommen und ab sofort die richtigen Gegenmaßnahmen ergreifen wird. In der Aussicht, dass an der Front des Westens die Unzuverlässigkeit (oder Schlimmeres) der USA andauern wird. Und in der Gewissheit, dass diese Front auch trotz Trumps Irrsinn standhalten wird.“
Auf Worte müssen Taten folgen
Nachdem Friedrich Merz bekräftigt hat, auch als Kanzler die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu befürworten, kommentiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Wichtiger als ein einzelnes Waffensystem – wie hilfreich auch immer es sein mag – ist eine kontinuierliche Belieferung der ukrainischen Streitkräfte mit allem, was sie benötigen, um den Invasoren Widerstand zu leisten. Die Aussichten auf Frieden mit Wladimir Putins Regime sind ohnehin denkbar gering. Aber nur wenn der Kreml Druck verspürt, bestehen überhaupt Aussichten darauf, ihn zu ernsthaften Verhandlungen zu bewegen. Fatal wäre es indes, würden auf die Ankündigung von Merz nun keine Taten folgen. Das würde Putin als Ermutigung verstehen.“