Wie realistisch ist Kampf für Atomwaffenverbot?
Die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican) hat den Friedensnobelpreis zugesprochen bekommen - und weitere Staaten zur Unterzeichnung des UN-Atomwaffenverbots aufgefordert. Der im Juli verabschiedete Vertrag gilt als bislang größter Erfolg der weltweiten Initiative, wurde allerdings gegen den Willen der Atommächte und ihrer Verbündeten geschlossen. Kommentatoren diskutieren, ob der Nobelpreis den Kampf gegen Atomwaffen voranbringt.
Eine gute Wahl
Aamulehti freut sich über die Verleihung des Friedensnobelpreises an Ican:
„Die Vergabe des renommierten Friedensnobelpreises an die internationale Anti-Atomwaffen-Kampagne Ican ist ausgesprochen aktuell und eine gute Wahl. Das Nobelkomitee wollte mit dem diesjährigen Friedenspreis eindeutig Stellung beziehen zur Lage in Nordkorea und den Wortgefechten zwischen Nordkorea und den USA. … Atomwaffen sind Jahr um Jahr und Jahrzehnt um Jahrzehnt immer noch ein Problem und eine Gefahr für den Weltfrieden. Das Säbelrasseln zwischen Nordkoreas Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump hat erneut Ängste vor einem echten Atomkrieg geweckt.“
Mahnung zu mehr Mut und Weitsicht
Die Auszeichnung ist mehr als nur ein symbolischer Akt, kommentiert der Diplomat Roberto Toscano in La Repubblica:
„In jüngster Zeit ist der Preis eher skeptisch betrachtet worden, nicht zuletzt wegen der Rolle von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi im Drama der Rohingya. … Dieses Mal geht der Preis aber nicht an eine Person - und es ist nicht auszuschließen, dass diese Entscheidung auf der Erkenntnis beruht, man müsse dem Preis wieder mehr Glaubwürdigkeit verleihen - sondern an eine Sache, deren pazifistisches Ansinnen kaum bezweifelt werden kann. ... Der Nobelpreis für Ican ist kein rein symbolischer Akt, sondern stellt eine ernsthafte Mahnung dar: Auch wenn das Ziel [eines Atomwaffenverbots] heute irreal erscheint, weil uns der Mut und die Weitsicht fehlen, müssen wir uns ihm doch mit Realismus und schrittweiser Abrüstung annähern.“
Preis geht an eine Utopie
Wenig begeistert über die Wahl zeigt sich hingegen Lidové noviny:
„Die Entscheidung des Komitees ist schwer verständlich. Vor allem im Vergleich mit dem letztjährigen Preisträger. Der kolumbianische Präsident Santos hatte in seinem Land einen Guerillakrieg beendet, der ein halbes Jahrhundert dauerte. Das war ein handfester und nachweisbarer Schritt. ... Was aber wollte das Nobelkomitee mit der Wahl der Organisation Ican signalisieren? Wenn das Komitee damit sagen wollte, dass Atomwaffen ein Problem darstellen, hat es ins Schwarze getroffen. Aber das weiß die Welt schon seit Hiroshima. Die grundsätzlichere Frage lautet anders: Sind die Atomwaffen das Problem oder nicht vielmehr die Regime, die nach ihnen streben? ... Die Vernichtung von Atomwaffen als solche wird eine Utopie bleiben.“
Kultur des Kriegs dominiert
Eine Welt ohne Atomwaffen, wie Ican sie sich wünscht, ist auch nach Ansicht von Delo nicht realistisch:
„Konventionen zu Waffenverboten sind bereits in Kraft und trotzdem kommen diese tödlichen Waffen an zahlreichen Fronten weltweit zum Einsatz. Ohne Erbarmen, ungeachtet der Opfer. All das geschieht, weil die Kultur des Kriegs und die damit verbundenen Geschäfte noch immer stärker sind, als die Kultur des Friedens. Atomwaffen sind die schrecklichsten unter allen Waffen, da innerhalb nur eines Augenblicks Millionen von Menschenleben ausgelöscht werden. ... Und was ist die Alternative? Eine Welt ohne Waffen. Abrüstung. Das Achten internationaler Verträge, die Gewaltanwendung verbieten. Das ist die Botschaft des diesjährigen Friedensnobelpreises aus Oslo. Doch wird die Botschaft auch erhört?“