Wahl in Tschechien: Zeman vor dem Sieg?
In Tschechien findet am Freitag und Samstag die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt. In den Umfragen vorn liegt Amtsinhaber Miloš Zeman - der will den wegen Betrugverdachts angeklagten Andrej Babiš als Regierungschef halten. Gerade in einer zweiten Runde hätte aber auch Jiří Drahoš Chancen, der Ex-Präsident der Akademie der Wissenschaften. Die Stimmung vor der Wahl beschreiben Journalisten aus Tschechien und dem Nachbarland Slowakei.
Zeman weiß, wo der Schuh drückt
Zeman war klug genug, die Meinung der Mehrheit zu beachten, lobt der Chefredakteur von Mladá fronta dnes, Jaroslav Plesl:
„Als Schlüsselthema wählte er die Migration, die ihm 2015 wie ein Geschenk des Himmels in den Schoß fiel. Das zweite Geschenk war die absolute Unfähigkeit der Mehrheit der anderen tschechischen Politiker, richtig auf dieses Problem zu reagieren. Premier Bohuslav Sobotka wiederholte nur die Phrasen von Angela Merkel. … Genau darauf baute Zeman seine Kampagne auf, als er seine wichtigste Programmthese formulierte: 'Dieses Land ist unser.' Keiner von Zemans Gegenkandidaten hat auch nur im Ansatz die Umfragen studiert, in denen sich die Mehrheit der Bürger deutlich gegen Migration aussprach. Deshalb ist Zeman Favorit.“
Tschechen sollten von Slowaken lernen
Der amtierende Premier Andrej Babiš hat eine Wahlempfehlung für Amtsinhaber Zeman abgegeben. Vor beider Allianz warnt Dennik N:
„Zeman braucht die Unterstützung von Babiš, um erneut gewählt zu werden. Und Babiš braucht die Unterstützung Zemans, damit er notfalls auch ohne das Vertrauen des Parlaments regieren kann. Tschechien wird heute vom Pakt dieser zwei Leute beherrscht, die eine autoritäre Mentalität eint, die Angst vor der Freiheit und die Ablehnung demokratischer Werte und der Prinzipien des Rechtsstaats. Bei der Wahl könnte wenigstens einer der Antidemokraten entfernt werden, bevor das Land in ein tiefes Loch fällt, aus dem es nur sehr langsam und schmerzhaft wieder herauskäme. Wie die Slowakei nach der Mečiar-Ära. Tschechische Brüder, ihr habt jetzt die letzte Chance, daraus zu lernen.“
Chance für den Wandel
Auf einen personellen Wechsel auf der Prager Burg hofft der Chefredakteur von Respekt, Erik Tabery:
„Den Umfragen nach hat der frühere Präsident der Akademie der Wissenschaften, Jiří Drahoš, die größten Chancen auf einen Sieg gegen Zeman. Ein Mann mit Anstand und Erfahrung, der eine große und wichtige Institution geleitet hat. Er verkörpert keine politische Strömung und polarisiert die Gesellschaft nicht. Die meisten Wahlen der jüngsten Zeit endeten mit einer vertieften Spaltung der Gesellschaft. Diese Wahl birgt die Chance eines gesellschaftlichen Kompromisses. Sie sollte ergriffen werden.“
Zeman trickst und schämt sich nicht
Amtsinhaber Zeman hat eine unwürdige Kampagne geführt, moniert Lidové noviny:
„Er behauptet zwar, überhaupt gar keinen Wahlkampf zu führen. Von allen Kandidaten hat er aber die größten Plakate. Er gibt Interviews, reist quer durchs Land und verteilt Wahlwerbung. Fortwährend attackiert sein Sprecher den wichtigsten Gegenkandidaten Jiří Drahoš. Jeder kann also sehen, welch aktiven Wahlkampf Zeman geführt hat - mit einer Taktik, die das Gesetz aushebelt. [Ein häufiger Vorwurf lautet, Zeman nutze seine Reisen als Präsident und staatliche Gelder, um für sich zu werben.] Einer seiner Berater behauptet, das sei noch keine Kampagne, sondern lediglich eine gewisse Unterstützung. Das Gesetz definiert den Begriff Kampagne aber eindeutig. Alle halten sich daran, nur Zeman interessiert das nicht.“