Warum sind die Brexit-Fronten so verhärtet?
London und die EU treten in den Brexit-Verhandlungen auf der Stelle. Auf dem Gipfel in Salzburg lehnten die Staats- und Regierungschefs den Vorschlag der britischen Premierministerin May ab. Eine kompromisslose Haltung der EU beobachten Kommentatoren - doch nicht alle hoffen darauf, dass sich beide Seiten zusammenraufen.
Wir Briten müssen uns aus dem Würgegriff befreien
London darf keinesfalls nachgeben, fordert The Sun:
„Alles, was die EU-Eliten haben, ist die Chance, uns zu bestrafen und dem Rest des Kontinents vor Augen zu führen, dass ein EU-Austritt zu viel kostet. Welche Botschaft wollen sie damit aussenden? Dass man so etwas nicht durchgehen lässt! Theresa May hat völlig Recht, wenn sie verkündet, dass wir uns vor nichts zu fürchten brauchen. Es ist zweifelsfrei so, dass wir unsere Vorbereitungen für einen totalen Bruch mit der EU intensivieren müssen. Die EU-Spitzen glauben offenbar immer noch, dass wir in der heißesten Brexit-Phase umfallen und nachgeben werden. Es ist entscheidend, dass wir ihnen zeigen, dass wir bereit sind für eine neue Zukunft - frei von ihrem kalten, toten Würgegriff.“
Macron will ein Exempel statuieren
Emmanuel Macron setzt alles daran, dass die EU gegenüber London unnachgiebig bleibt, beobachtet La Repubblica:
„Einen treffen, um 27 zu erziehen. Das ist, auf den Punkt gebracht, Macrons Haltung gegenüber der britischen Regierung. In den komplexen Verhandlungen mit der EU hat sich der französische Präsident sofort zum Sprecher der unnachgiebigsten Fraktion gemacht. … 'Entweder draußen oder drinnen' wiederholt Macron bei jeder Gelegenheit. Gestern wurde er noch deutlicher, als er den von Theresa May auf dem Salzburger Gipfel vorgelegten Plan als 'inakzeptabel' erklärte und die EU aufforderte, keine Kompromisse einzugehen. Eine fast strafende Haltung, die ein präzises Ziel hat: die Propaganda der nationalistischen Bewegungen zu zerschlagen, die mit einem Ausstieg aus der EU liebäugeln.“
Frieden ist oberstes Ziel
In der verfahrenen Situation müssen beide Seiten ein Ziel vor Augen haben, mahnt La Croix:
„Es gibt einen wichtigen Grund, warum man sich um eine zufriedenstellende Einigung mit London bemühen sollte. In einer Welt, die von Auseinandersetzungen geprägt ist, ist es umso bedeutender, dass der europäische Kontinent ein Kontinent des Friedens bleibt. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen dem Norden und dem Süden Irlands. Die dortigen Deeskalationserfolge der vergangenen 20 Jahre dürfen nicht ruiniert werden. Theresa May scheint dies verstanden zu haben, denn sie ist am Donnerstag mit der Ankündigung aus Salzburg abgereist, dass ihre Regierung den Europäern in Kürze einen neuen Vorschlag für die irische Grenze unterbreiten werde.“
Für May wird die Zeit knapp
Mays Spielraum wird immer enger, stellt Chefredakteur Màrius Carol in La Vanguardia fest:
„Sie hat nicht mehr viele Tage Zeit, um ihr Konzept zu ändern, da sie bis Ende Oktober einen neuen Plan vorlegen muss. Die EU lässt den Countdown laufen. Die Zukunft Großbritanniens steht auf dem Spiel - ein Brexit ohne Einigung wäre eine riesige Katastrophe - und auch die Zukunft Mays ist gefährdet. Ihr ehemaliger Außenminister Boris Johnson verabschiedete die Premierministerin in London, indem er ihr sagte, ihr Plan sei ein Sprengstoffgürtel, dessen Zünder die EU in den Händen halte. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.“