Macht Ankara Politik mit billigem Gemüse?
Um der Inflation zu begegnen, verkauft die türkische Regierung verbilligtes Gemüse seit Kurzem direkt an die Bürger. Präsident Erdoğan macht für die Preisanstiege "Kräfte aus dem Ausland" verantwortlich, Kritiker sehen in der Aktion ein Wahlkampfmanöver. Die türkische Presse diskutiert, inwiefern sich das Schlangestehen nach billigem Gemüse psychologisch auf die Ärmsten auswirkt.
Traumatisch für die Bevölkerung
In den langen Schlangen, die sich vor den Verkaufsstellen bilden, sieht Leyla Alp von T24 eine Demütigung für die Gesellschaft:
„Falls Sie fragen sollten: 'Was ist so schlecht daran, Verkaufsstellen einzurichten und Tomaten für drei Lira [rund 50 Cent] zu verkaufen?', würde ich antworten: 'Dass diese Menschen sich dafür schämen müssen. Es ist so verletzend, dass Menschen Schlange stehen, um zwei Lira weniger zu zahlen, dass diese Verletzung nicht einmal wiedergutzumachen wäre, wenn man Tomaten vom Himmel regnen lassen würde. Wenn ein 80-Jähriger für drei Kilo Tomaten eine Stunde anstehen muss und sich für sein Anstehen in dieser Schlange schämt, erscheint es unmöglich, die seelische Zerstörung, die diese Maßnahme bewirkt, je wieder gut zu machen.'“
Nur verwöhnte Eliten rümpfen die Nase
Kritik an der Verkaufsaktion findet die regierungstreue Sabah arrogant:
„Manche finden es nicht 'chic', dass sich diejenigen Bürger, die sie als 'Unterschicht' bezeichnen, an den Ausgabestellen für günstiges Gemüse anstellen... Nicht wahr, gnädige Herrschaften, 'man reiht sich doch nicht wie Schafe in der Schlange ein, sobald man auf billige Lebensmittel stößt...' Natürlich nicht, schließlich stehen die Bürger ja auch nicht für Starbucks oder Iphones an! Doch zum Glück erkennt jeder vernunftbegabte Mensch, was für ein verwöhntes Verhalten das ist. Wer das nicht glaubt, sollte sich mal ansehen, wie die Bürger reagiert haben, als gestern eine berühmte Heulsuse vor der Schlange am Ausgabestand Selfie-Videos machte und Tiraden wie 'Schämt euch, dass ihr die Bürger Schlange stehen lasst', rief: 'Hast du ein Problem, Bruder? Was stört es dich, dass wir hier günstiger einkaufen?'“