1969: Als der Mythos vom Prager Frühling zerbrach
In Tschechien erinnert man diese Woche an die Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Pakts am 21. August 1968. Wichtig ist dabei auch das Gedenken an den 21. August 1969, als am ersten Jahrestag des Einmarsches Demonstrationen von Polizei und Milizen des eigenen Landes gewaltsam unterdrückt wurden. Für tschechische Medien sind die Ereignisse von damals noch nicht aufgearbeitet.
Schüsse als Antwort auf den Hilferuf
Warum die Erinnerung an die Ereignisse des Jahres 1969 so schwer fällt, erklärt Lidové noviny:
„Ein Jahr zuvor war der Widerstand gegen die fremden Mächte zwar nicht erfolgreich, aber es gab ihn. Bei den Demonstrationen 1969 hatten die Menschen anfangs die Hoffnung, dass die politische Führung noch zu ihnen steht. Doch die stellte sich gegen sie. Die Panzer der Okkupanten mussten gar nicht aus den Kasernen ausrücken. Die Leute riefen nach Dubček und Präsident Svoboda - und bekamen eine Antwort aus Wasserwerfern und starben durch Schüsse aus Gewehren von Milizionären. Die Führer waren nicht mehr 'mit dem Volk', sondern gegen dieses. Darüber reden wir nicht gern und oft. War es doch die erste Entmythisierung des Jahres 1968.“
Wieder sind Verräter unter uns
Dass es aus dem Sommer vor 50 Jahren Lehren zu ziehen gilt, findet Aktuálně.cz:
„Am 21. August 1969, dem Tag, an dem Tschechen auf Tschechen schossen, stand das Land am Rand eines Bürgerkriegs. Das schreckliche Gefühl der Ohnmacht kann sich kaum jemand vorstellen, der es nicht erlebt hat. ... Der 21. August ist vielleicht der richtige Tag, um über Verrat und Verräter nachzudenken. Und darüber, ob es in unserer Vergangenheit nicht verdächtig viele davon gibt. Zudem haben manche Politiker eher Moskauer Interessen im Sinn als unsere. Gehört dazu nicht auch der Mann auf der Prager Burg [Präsident Miloš Zeman]? Halten wir inne und denken wir nach.“