Polizeischutz für Holocaustüberlebende in Italien
Die 89 Jahre alte Liliana Segre, Senatorin auf Lebenszeit, ist als Auschwitz-Überlebende eine wichtige Zeitzeugin in Italien. Nachdem sie in sozialen Medien massiv bedroht und antisemitisch beschimpft wurde, steht sie nun unter Polizeischutz. Italiens Medien sehen darin ein Armutszeugnis für ihr Land und ziehen Parallelen zur Vergangenheit.
Die Barbarei ist zurück
Liliana Segre hält Italien den Spiegel vor, erklärt die Journalistin und Fernsehmoderatorin Sabrina Scampini in Huffington Post Italia:
„Sie ist zum Symbol für die Gefahr der kollektiven Degeneration geworden, zur lebendigen Darstellung des Tiefpunktes eines langsamen und unerbittlichen kulturellen und menschlichen Niedergangs, zur Verkörperung einer so abscheulichen Vergangenheit, dass wir uns weigern zu glauben, dass sie wieder an unsere Türen klopfen könnte. ... Doch wir leben in einer Zeit der Barbarei, einer Welt, die aus Stereotypen, Allgemeinplätzen, Unwissenheit und Vorurteilen besteht; einem Klima, in dem nur die Konfrontation, nicht aber das Zuhören und das Verstehen des anderen zählt. Wir haben Angst zu sagen, dass Rassismus und Antisemitismus immer noch existieren, weil wir glauben, dass wir anders sind. Besser als wir waren.“
Salvini hat nichts verstanden
Der Chef der rechtspopulistischen Lega, Matteo Salvini, kommentierte den Fall mit der Bemerkung, auch er erhalte viele Drohungen. Salvini begreift offenbar nicht die Tragweite der Situation, entrüstet sich Kolumnist Pierluigi Battista in Corriere della Sera:
„Die Morddrohungen gegen Liliana Segre mit den Hasstiraden gegen die eigene Person zu vergleichen, wie dies Lega-Chef Matteo Salvini getan hat, bedeutet nicht zu begreifen, dass nicht alles gleich und vergleichbar ist, dass die Shoah nicht irgendein politisches Verbrechen ist, dass Liliana Segre nicht die Zielscheibe von Drohungen ist, für das, was sie sagt, sondern für das, was sie ist: Jüdin. Und dass die Juden immer noch, 2019 in Italien, das Ziel eines unvergleichlichen und beharrlichen Hasses sind.“