Katholische Kirche: Zölibat wird nicht gelockert
Papst Franziskus hat die Hoffnung von Kirchenreformern enttäuscht, indem er am strengen Zölibat für Priester festhält. Im Schreiben "Querida Amazonia" vom Mittwoch greift Franziskus nicht die Empfehlung der Amazonas-Synode vom Oktober auf, in Ausnahmefällen verheiratete Männer zum Priesterdienst zuzulassen. Den Machtstreit innerhalb der Kirche kommentiert die europäische Presse.
Ruf als Erneurer verspielt
Die Aufweichung des Zölibats wäre für die Kirche und ihren Papst eine große Chance gewesen, klagt Der Standard:
„Mit der Verweigerung, das ewig heiße Eisen behutsam abzukühlen, ist der Ruf von Papst Franziskus als einem großen Erneurer dahin. Es wäre die einmalige Chance gewesen, diesem Pontifikat einen historischen Stempel aufzudrücken. Papst Franziskus hätte die Möglichkeit gehabt, den Beweis anzutreten, dass er Kirche tatsächlich neu denkt. Zu zeigen, dass er hinter einer Kirche steht, deren Wurzeln in den Gemeinden liegt. Deren Lebensbaum an der Basis gedeiht ... Letztlich geht es wohl vor allem um Macht und den Erhalt hierarchischer Strukturen. Nicht an das Leben will man Geistliche heute binden, sondern vielmehr an den Heiligen Stuhl ketten.“
Franziskus: Laien sollen Laien bleiben
La Croix lobt die päpstliche Entscheidung:
„So versteht man besser, warum der Papst den Vorschlag, viri probati zu Priestern zu weihen, nicht angenommen hat. Er sieht darin das Risiko der Klerikalisierung von Laien, welche die Vitalität der katholischen Gemeinschaften Amazoniens langfristig gefährden könnte. Das wäre nicht nur für diese Gegend, sondern für die ganze Kirche ein Verlust. Denn sie braucht in ihrem Innern Vielfalt, um ihre Vorstellungskraft zu stimulieren und ihre missionarische Vitalität zu erneuern. Wie die Erde braucht auch die Kirche zum Atmen und zum Leben eine grüne Lunge: Die befindet sich im Amazonasgebiet.“
Zölibat-fixierte Berichterstattung
Für die Medien ist das Reizthema wichtiger als die Lage der im Amazonasgebiet lebenden Menschen, schimpft Jutarnji list:
„Das Zölibat war am Mittwoch die Hauptnachricht auf allen Portalen, obwohl der Papst es nicht ausdrücklich erwähnt hatte. Derweil widmete sich kaum ein Titel den indigenen Bewohnern Amazoniens; den 'Indios', deren Leben physisch bedroht ist und auch geistlich, falls sie Christen sind. Physisch möchte sie Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro vertreiben, um den Großgrundbesitzern weiterhin das Abholzen des Regenwalds und das Beackern des Bodens zu ermöglichen. Seelisch kann sie niemand trösten, wenn der katholische Priester die Gemeinde nur einmal im Jahr besucht. Aber wen interessieren die 'Indios' oder die 'Lunge der Erde' im Amazonas, wenn man sich auf andrer Leute Geschlechtsorgane fokussieren und damit noch Geld verdienen kann?“