Zollattacke: Wie soll sich Europa wehren?

Auch für Europa gelten neue Strafzölle – im Fall der EU-Mitgliedstaaten in Höhe von 20 Prozent. Die EU berät am heutigen Mittwoch erneut über eine angemessene Reaktion. Bislang hatte Brüssel auf Deeskalation gesetzt, Gespräche über einen Freihandels-Deal hatte US-Präsident Trump jedoch ausgeschlagen. Europas Presse lotet verschiedene Optionen aus.

Alle Zitate öffnen/schließen
La Tribune (FR) /

Gegenmaßnahmen gut kalkulieren

Genaues Hinsehen bei allfälligen Gegenzöllen der EU fordern drei Ökonomen in La Tribune:

„Nehmen wir in den USA hergestellte Transportmittel. Um 20 Prozent erhöhte Einfuhrzölle darauf würden es erlauben, ihren Absatz in Europa um über 40 Prozent zu senken. Dies entspricht einer Verringerung der US-Importe um über sieben Milliarden Euro. Diese Transportmittel würden schätzungsweise durch EU-produzierte Pendants im Wert von fünf Milliarden ersetzt. … Eine Anhebung der Zölle auf Lebensmittel und Getränke hätte vergleichsweise geringe Auswirkungen, da die Handelsbilanz durch die Verringerung der US-Importe nur um etwa 1,5 Milliarden verbessert würde. Optimiert man die Auswahl der besteuerten Produkte, lassen sich die negativen Auswirkungen der von Donald Trump angekündigten Zollmaßnahmen für Europa deutlich reduzieren. Ein wichtiger Trumpf für künftige Verhandlungen.“

Hospodářské noviny (CZ) /

Auch hier viel innereuropäisches Spaltungspotenzial

Eine entschlossene Reaktion ist zwar wichtig, findet Hospodářské noviny,

„allerdings ist die Sache auch kompliziert, denn die Entwicklung einer angemessenen Reaktion wird die einzelnen EU-Mitgliedstaaten eher spalten als einen. Jeder Staat wird versuchen seine Prioritäten, die sich in vielen Fällen grundlegend unterscheiden, in der europäischen Reaktion widerzuspiegeln. Die Franzosen haben bereits darauf bestanden, dass amerikanischer Bourbon von den Vergeltungsmaßnahmen ausgenommen werde, weil Trump mit einem 200-prozentigen Zoll auf europäischen Alkohol gedroht hatte.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Kritischer Konsum ist kompliziert

Ein Boykott bestimmter US-Waren kann durchaus sinnvoll sein, meint die taz:

„Dass die Verkaufszahlen von Musks E-Auto-Bauer Tesla dramatisch eingebrochen sind und der Aktienkurs stark gefallen ist, zeigt das. Bestellen Ver­brau­che­r:in­nen nicht mehr bei Amazon, schadet das Jeff Bezos. Solche Schäden kommen irgendwann auch bei Trump an. Um das zu erreichen, muss der Konsumverzicht die Richtigen treffen. Zum Beispiel Bourbon-Hersteller, Musk oder Bezos, die Trump unterstützen. Es gibt Grenzfälle. Was ist mit Nüssen aus Kalifornien? Der Bundesstaat will Trump Paroli bieten. Wenn es bei US-Herstellern, die in Europa produzieren, nur darum geht, ihre Produkte durch die von deutschen zu ersetzen, wird es unappetitlich, weil nationalistisch. Kritischer Konsum ist kompliziert.“

Kauppalehti (FI) /

Brisant wie in den 1930er Jahren

Kauppalehti beobachtet den Keim einer gefährlichen Entwicklung:

„Die Frage ist, wie die Welt aussehen würde, wenn die USA, die Verfechter des freien Marktes und des multilateralen Handels, das gesamte System aufgeben würden. Es wäre das Ende der Globalisierung in ihrer jetzigen Form. Das auf den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) basierende System würde durch ein neues ersetzt werden. Wir würden in eine Ära eintreten, die noch willkürlicher und protektionistischer wäre. Eine solche Welt wäre auch viel gefährlicher als die Welt der vergangenen Jahrzehnte. Das letzte Mal hatten wir eine solche Situation in den 1930er Jahren, auf die der Zweite Weltkrieg folgte. Die Gefahr eines ausgewachsenen Handelskriegs ist real.“

Jydske Vestkysten (DK) /

Kanada sollte EU-Mitglied werden

Deutschlands ehemaliger Wirtschafts- und Außenminister Sigmar Gabriel hat kürzlich vorgeschlagen, Kanada die EU-Mitgliedschaft anzubieten. Jydske Vestkysten hält das für eine gute Idee:

„Bei Gemeinschaft geht es nicht nur um Geographie, sondern ebenso sehr um Kultur und Mentalität. In diesem Zusammenhang steht Kanada unseren Werten deutlich näher als die USA. Für Europa wäre das nordamerikanische Land ein im wahrsten Sinne des Wortes gigantischer Gewinn. ... Für Kanada könnte es angesichts des Wahnsinns, der sich derzeit in den USA abspielt, verlockend sein, noch engere Freundschaft mit Europa zu schließen. Die USA wollen ihr Nachbarland auf die gleiche Weise einverleiben, wie Trump angekündigt hat, Grönland zu annektieren.“

Slovenske novice (SI) /

Bei einer Eskalation gibt es nur Verlierer

Sloweniens ehemaliger Wirtschaftsminister Matej Lahovnik warnt in Slovenske novice vor einer Zollspirale:

„Solange nur gedroht wird, tut es nicht weh. Doch wenn es umgesetzt wird, hat es verheerende Auswirkungen auf alle Seiten. ... Höhere Zölle bedeuten teurere Importprodukte, was zu höherer Inflation und geringerem Wirtschaftswachstum führt. Es ist ungefähr dasselbe, als ob eine Person einer anderen ins Knie schießt und die andere Person zurückschießt. Im Ergebnis hinken beide, und das Gleiche wird den Volkswirtschaften überall auf der Welt passieren, wenn ein Zollkrieg ausbricht. Wir Verbraucher werden den Preis dafür zahlen.“

De Volkskrant (NL) /

Ins eigene Schwert stürzen lassen

Weil Zölle zunächst die eigenen Bürger treffen, sollte die EU lieber kühlen Kopf bewahren, rät De Volkskrant:

„Der Schmerz in der eigenen Geldbörse kann dazu führen, dass die Kritik an Trump weiter zunehmen wird, aber er könnte auch zu einer wachsenden Wut führen auf die Gegner von Trump und den zunehmenden Wunsch, diese zu bestrafen. Die beste Strategie scheint zur Zeit, Trump in sein eigenes Schwert stürzen zu lassen, und nicht zu schnell selbst Importzölle zu erheben, weil die eigenen Bürger in kurzer Zeit deren größte Opfer sein werden.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Zeit für die Digitalsteuer

Brüssel hat durchaus einen Trumpf gegen Trump, betont der Tagesspiegel:

„Oder zumindest gegen die, die sich schon vor und bei seiner Amtseinführung an seine Brust geworfen haben – die amerikanischen Tech-Giganten. Amazon, Meta, Google und Co. erwirtschaften rund ein Drittel ihres Gewinns in der EU. Eine Digitalsteuer oder Strafmaßnahmen würden sie direkt und hart treffen. Darüber wird in Brüssel gerade so offen diskutiert wie nie. Jeff Bezos, Mark Zuckerberg, Sundar Pichai und andere Trump-nahe CEOs dürften diese Schritte um jeden Preis verhindern wollen. Gerade, weil ihre Firmen in Trumps kurzer Amtszeit Milliarden an Bewertung eingebüßt haben. ... Es ist Zeit, dass sie ihren Einfluss nutzen.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Geschlossenheit nicht aufs Spiel setzen

Der Tages-Anzeiger rät der EU, nicht überhastet auf die Zolldrohungen zu reagieren:

„Für die EU reichen vorerst Vergeltungszölle nach WTO-Regeln und die Bereitschaft, mit Trump zu verhandeln. Ein von manchen EU-Staaten favorisierter Schlag gegen die grossen US-Techkonzerne wäre zum jetzigen Zeitpunkt kontraproduktiv. Trump würde gezielt reagieren, etwa mit den bereits angedrohten 200 Prozent Zoll auf Champagner. Frankreich wäre in heller Aufregung und die Gefahr gross, dass die EU nicht mehr geschlossen gegenüber den USA auftritt. Schon jetzt gibt es in der Gemeinschaft höchst unterschiedliche Meinungen, wie man auf Trumps Zölle reagieren soll.“

Público (PT) /

Die EU in der Rolle der Vernunft

Der viel gescholtene langsame Entscheidungsprozess der EU darf nicht immer als Nachteil verstanden werden, schreibt Público:

„Donald Trump ist hervorgegangen aus einer Gesellschaft der sofortigen Befriedigung, der ständigen Reize, in der das Reale und das Konstruierte ineinander übergehen – um einen Film zu produzieren, in dem gesunder Menschenverstand und Mäßigung nicht die Protagonisten sind. ... Der von der EU verkörperte Kompromiss, das System der Verhandlungen und Abkommen im Welthandel und die Regeln der Demokratie selbst sind sicherlich langweilig im Vergleich zu Männern wie Trump. Die Geschichte zeigt, dass dies die besten Garantien für das Glück der meisten Menschen sind, aber die Wahrheit hat es in diesen Zeiten schwer.“

Berlingske (DK) /

Auf internen Widerstand hoffen

Von außen lässt sich gegen das Phänomen Trump wenig tun, so Berlingske:

„Wenn man Golf spielt, während die Welt brennt, zeigt man damit seine Verachtung für alle, die Trump geradezu anflehen, die USA und die Welt nicht in eine tiefe Krise zu stürzen. Trumps Handeln sprengt den 80-jährigen Kampf um eine regelbasierte Weltwirtschaft in die Luft. Europa und China können offensichtlich nichts tun. Trump hat die ganze Welt zu Feinden Amerikas erklärt. ... Die einzige Chance, die Welt vor einer Katastrophe zu retten, ist eine Rebellion der Vereinigten Staaten selbst. Vom Kongress, aus der Wirtschaft und von einfachen Amerikanern.“