Was bedeutet das Urteil zu Folter in Syrien?
Im weltweit ersten Prozess um Mord und Folter durch den syrischen Staat ist am Mittwoch in Koblenz ein erstes Urteil gesprochen worden. Ein Angeklagter muss für viereinhalb Jahre in Haft, weil er als Geheimdienstmitarbeiter 2011 Demonstranten ins Gefängnis gebracht hatte, im Wissen, dass diesen dort Folter droht. Der Angeklagte war als Flüchtling nach Deutschland gekommen und von einem Folteropfer erkannt worden.
Sie können sich in Europa nicht mehr sicher fühlen
Für Gazeta Wyborcza sendet das Urteil ein Zeichen an alle Kriegsverbrecher:
„In den vergangenen Jahren wurden in mehreren europäischen Ländern Ermittlungen gegen syrische Kriegsverbrecher eingeleitet: in Deutschland, Schweden, Frankreich und Spanien. Diese Länder wenden das Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit an, das es ihnen ermöglicht, die schwersten Verbrechen vor Gericht zu stellen, ohne nachweisen zu müssen, dass die Täter oder Opfer Verbindungen zum jeweiligen Land gehabt haben (nach diesem Prinzip wurde in London der ehemalige chilenische Diktator Augusto Pinochet auf Ersuchen Spaniens verhaftet). Die Handlanger des Regimes, die sich unter den Flüchtlingen in Europa versteckt haben, können sich nicht mehr sicher fühlen.“
Die Straflosigkeit hat ein Ende
Dass dem Verfahren viele weitere folgen werden, hofft Zeit Online:
„Seit Jahren sammeln Anwälte in den USA Beweise für Assads Tötungsapparat, auch haben Folterüberlebende außer in Deutschland auch in Österreich, Schweden und Norwegen Strafanzeigen gegen führende Mitarbeiter des Regimes gestellt. Viele weitere Prozesse müssen folgen, gegen alle Parteien, die Kriegsverbrechen begangen haben. Weil das den Überlebenden zusteht. Und weil die ganze Welt wissen muss, was den Menschen in ihrer Heimat widerfahren ist - und ihnen bis heute widerfährt. Die Straflosigkeit in Syrien muss ein Ende haben. Das Koblenzer Urteil zeigt, dass dies möglich ist.“
Gerechtigkeit von unten
Für De Standaard ist das Urteil
„auch ein Zeugnis für das dramatische Scheitern des internationalen Rechts und der internationalen Gemeinschaft. ... Alles Lob gilt daher den Menschenrechtsaktivisten, die unermüdlich Beweismaterial sammelten und von unten den Prozess anstrengten, um das Regime doch noch zur Rechenschaft zu ziehen. … Assad sitzt auf dem unsicheren Thron eines zerstörten Landes, mit sechs Millionen Flüchtlingen, einer halben Million Toten und mehr als 100.000 Vermissten auf seinem Gewissen. Auch wenn die Welt lieber wegschaut, die Chance, dass Assad als freier Mann davonkommt, ist dank dieses Urteils doch ein wenig kleiner geworden.“