Corona-Schutz: 2G, 3G oder wie weiter?
In großen Teilen Europas steigt die Zahl der Corona-Infektionen wieder an. Seit Montag haben in Österreich nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt zu Gastronomie, Veranstaltungen und körpernahen Dienstleistungen. In Italien gilt eine 3G-Pflicht - auch für den Arbeitsplatz. Europas Presse diskutiert weiter, wie die vierte Welle am besten eingedämmt werden kann.
Ungeimpfte Mediziner entlassen!
Dass die Impfkampagne in der Ukraine gescheitert ist, liegt auch daran, dass sich viele Ärzte nicht impfen lassen wollen, ärgert sich der Medizin-Professor Wiktor Dosenko in Obosrewatel:
„Die Anti-Impf-Bewegung unter den Ärzten bringt mich auf einen Gedanken, auf den die Behörden irgendwie nicht zu kommen scheinen: Wir haben eine katastrophale Situation mit der medizinischen Ausbildung. ... Ein ungeimpfter Arzt muss heute ein entlassener Arzt sein. Ich sage schreckliche Dinge, vielleicht wird sich jemand darüber empören, aber im Prinzip ist dieser Umstand der Beweis, dass diese Ärzte weder von Medizin, noch von Epidemiologie irgendetwas verstanden haben, ja dass sie vielleicht auch alles vergessen haben. Sie verursachen irreparable Schäden.“
Ineffektive und spalterische Logik
In Griechenland gelten seit Samstag verschärfte 3G-Regeln; ungeimpfte Angestellte müssen zweimal wöchentlich einen Negativtest vorlegen - auf eigene Kosten. Dromos tis Aristeras findet das falsch:
„Abgesehen davon, dass diese Maßnahmen autoritär sind, könnten sie sich sogar als schädlich erweisen, da sie die Logik verstärken, dass die Geimpften unverwundbar und von allen Maßnahmen und Kontrollen im Zusammenhang mit der Eindämmung der Pandemie befreit sind. ... Es ist offensichtlich, dass diese Logik nicht nur spalterisch, sondern auch ineffektiv ist, da geimpfte Menschen krank werden und das Virus übertragen, oft sogar ohne es zu wissen. ... Da die Gesellschaft nicht in Blasen funktioniert, ist eine weitere Ausbreitung des Virus trotz aller Maßnahmen nahezu sicher.“
Hohen Preis in Kauf nehmen
Auch in Dänemark, wo es seit Anfang September keine Einschränkungen mehr gibt, sollte jetzt umgedacht werden, auch wenn es wehtut, fordert Kristeligt Dagblad:
„Was passiert mit dem bisher in Dänemark phantastisch hohen Vertrauen in die Behörden? Es gibt keinen anderen Weg, als zum Beispiel den Coronapass wieder einzuführen, aber wie so viele Politiker zu sagen pflegen, hat alles seinen Preis. Aktuell bedeutet das, dass neuer Missmut entsteht und das Vertrauen in die Behörden sich verringert. Das ist ein hoher Preis.“
Bestrafung hilft nicht
Statt auf die 2G-Regel zu setzen, sollten die kostenlosen Schnelltests in Deutschland wiedereingeführt werden, fordert die taz:
„Auch als Geimpfter kann man sich in öffentlichen Räumen oder bei Veranstaltungen unbewusst infizieren. Tests verringern die Chance weiterer Übertragungen. Und auch wenn es zunächst verwunderlich klingt: 2G-Regelungen, also Ungeimpften den Zugang zu Gastronomie, Museen, etc. zu verwehren, ist kontraproduktiv. Erstens hilft dies offenkundig kaum bei der Steigerung der Impfquote. Und zweitens sorgen 3G-Regelungen dafür, dass auch Ungeimpfte bei Kneipen- oder Kinobesuchen regelmäßig getestet werden. ... Es wird Zeit, sich von Bestrafungsfantasien gegenüber Ungeimpften zu verabschieden. Das neue Motto der Pandemiebekämpfung sollte lauten: Testen, testen, testen!“
Vor den Richtern wird es knifflig
In Rumänien sind Studenten gegen die von der Medizin-Universität Târgu-Mureș eingeführte Impfpflicht vor Gericht gegangen und haben in erster Instanz Recht bekommen. Ein gefährlicher Präzedenzfall, warnt ein Professor der Universität, Zoltán Ábrám, in Krónika:
„Nur zehn Prozent aller Studenten sind ungeimpft, das stellt unter diesen Umständen ein niedriges Risiko dar. ... Doch es stellen sich beunruhigende Zukunftsfragen: Was passiert, wenn zum Beispiel auch die Eltern, die das Impfen gegen Infektionskrankheiten bei Kindern verweigern, ein Verfahren nach dem anderen vor den Menschenrechtsgerichtshöfen gewinnen würden? Es wäre sinnvoll, gut zu überlegen, wohin wir steuern.“
Budapest schiebt Verantwortung ab
In Ungarn können Arbeitgeber ihre Angestellten zur Corona-Impfung verpflichten. Népszava findet diese Herangehensweise problematisch:
„Alle Lasten der Impfverweigerung tragen in Ungarn die Arbeitnehmer, denn sie können für maximal ein Jahr in unbezahlten Urlaub geschickt werden. ... Aber in ihrer heutigen Form bringt die Impfpflicht auch die Arbeitgeber in eine schwierige Situation. ... Am Freitagmorgen hat der Premier in Radio Kossuth klargemacht, dass die Regierung keine weiteren Menschen von der Relevanz des Impfens überzeugen könne, deswegen seien jetzt die Sozialpartner dran. Das ist wieder einmal nichts anderes als das Abschieben der Verantwortung.“
Ungeimpfte müssen zu Hause bleiben
Gesundheitsrechtsdozent Andre den Exter fordert in NRC Handelsblad, dass die Freiheit fanatischer Impfverweigerer eingeschränkt wird:
„Für diese bleibt nur eine weitergehende freiheitseinschränkende Maßnahme am Arbeitsplatz und werden das Arbeiten zu Hause oder die Beurlaubung die Norm. Daran ist nichts Diskriminierendes. Es bleibt eine individuelle Entscheidung. Ja, mit dieser Maßnahme werden Menschen in Krankenhäusern und Schulen ausfallen. Aber es schafft eine sichere Arbeits-, Wohn- und Lebensumgebung für andere. So gesehen ist es eine Tat der reinen Barmherzigkeit der Impfverweigerer mit ihren Mitmenschen.“
Überzeugen statt verpflichten
Der Impfentscheid ist persönlich und das soll auch so bleiben, meint die Juristin Claudia Postelnicescu in einem Gastbeitrag für Adevărul:
„Das macht ein grüner Impfpass: Er verpflichtet uns, offen auszuposaunen, dass wir zu jenen gehören, die Teil der heutigen Gesellschaft sind und dass wir nicht Outsider bleiben, die nicht dazugehören. Ungeachtet der persönlichen Überzeugungen, der persönlichen medizinischen Vorgeschichte - was zusammengefasst eine Missachtung der Rechte bedeutet. … Der Staat sollte einem nicht die Entscheidung aufzwingen, die persönlich ist und bleiben muss - die Impfung. Der Staat hat nur zu überzeugen, dass die Impfung die bessere Wahl als die Nicht-Impfung ist, aber er darf sie nicht aufzwingen, indem er den Zugang oder die Beschäftigung von einem grünen Impfpass abhängig macht.“
Dem Beispiel Italiens folgen
Der Impfpass sollte europaweit zur Pflicht werden, mahnt die Virologin Antonella Viola in La Stampa:
„In den osteuropäischen Ländern ist der Prozentsatz der Geimpften so gering, dass die WHO das Schlimmste, nämlich eine vierte Welle mit mehr als einer halben Million Todesopfern auf dem Kontinent befürchtet. Die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, besteht darin, alle Menschen schnell zu impfen. Ältere Menschen, junge Menschen und so schnell wie möglich auch Kinder. ... In der Zwischenzeit, bis alle europäischen Bürgerinnen und Bürger geimpft sind, sollte der Aktionsradius des Virus durch die Pflicht des Coronapasses überall eingeschränkt werden. Italien geht hier mit gutem Beispiel voran. Es hat nicht nur Weitsicht, sondern auch den Mut zu schwierigen Entscheidungen bewiesen. Hoffen wir zum Wohlergehen aller, dass Europa uns folgen wird.“
Zwang ist unzulässig
Die Spaltung der Gesellschaft in Impfbefürworter und Impfgegner ist nicht zielführend, kritisiert der Arzt Dr. Matjaž Figelj in seiner Kolumne für Dnevnik:
„Bei der Impfung gegen Covid-19 können wir nicht von klassischen Impfgegnern sprechen, da es sich um neue Impfstoffe handelt, deren Wirkungsmechanismus nicht genau bekannt ist und über deren möglichen Nebenwirkungen man noch zu wenig weiß. Daher ist es umsichtiger, von Menschen zu sprechen, für die eine Impfung akzeptabel oder nicht akzeptabel ist. Wir haben das Recht, anders zu denken und dennoch gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft zu sein. Die Impfung gegen Covid-19 ist freiwillig. Jeglicher Zwang ist daher unangemessen und unzulässig.“