Ungarn blockiert Öl-Embargo
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist am Montag für einen Blitzbesuch nach Budapest gereist. Für das vergangene Woche angekündigte Öl-Embargo gegen Russland braucht die EU die Stimme Ungarns. Viktor Orbán sträubt sich jedoch dagegen. Kommentatoren vermuten unterschiedliche Beweggründe.
Zerstörung der Wirtschaft bringt nichts
Die regierungsnahe Magyar Nemzet ist gegen einen Einfuhrstopp:
„Würde [ein Energieembargo] die russischen Panzer stoppen? Selbstverständlich nicht, denn Gazprom hat [in diesem Jahr] aufgrund explodierender Energiepreise bereits ein höheres Einkommen realisiert, als im vergangenen Jahr insgesamt. Weder die Slowakei, noch Tschechien, Bulgarien oder Kroatien können auf die russische Energie verzichten. ... Auch Italien, Österreich und Deutschland würden dafür einen sehr hohen Preis bezahlen. ... [Mit einem Embargo] tragen wir dazu gar nicht bei, dass der Krieg beendet wird, während die Wirtschaft Europas mit etwas Übertreibung genauso ruiniert wird, wie die Wirtschaft der Ukraine.“
Es geht auch um EU-Gelder
Der Standpunkt der ungarischen Regierung hängt mit den Streitigkeiten mit Brüssel zusammen, erklärt das Wirtschaftsportal Portfolio:
„Insgesamt gesehen scheint es so, dass Viktor Orbán die Frage des EU-Öl-Embargos und die laufenden Verhandlungen über das Wiederaufbauprogamm Ungarns miteinander verbunden hat, um inzwischen auch über den möglichen Ausgang der Rechtsstaatlichkeitsdebatte ein klareres Bild zu schaffen. ... Denn es ist noch nicht klar, auf wie viel EU-Geld Ungarn zählen kann und wann, deswegen ist es teils unklar, aus welchen Quellen die aus dem Ölembargo folgende Umgestaltung der Ölraffinierie und des ungarischen Energiesystems finanziert werden soll.“
Eine Hand wäscht die andere
Hinter Ungarns Blockade vermutet Večernji list die Verbandelung Orbáns mit Putin:
„Hinter all dem Widerstand gegen das Öl-Embargo scheinen vor allem persönliche Interessen von Orbán und seinem innersten Zirkel zu stehen. Verpackt in Nationalismus, wie das immer läuft. ... Würde die EU aufhören, russisches Öl zu kaufen, wäre dies ein großer Schlag für Putin, was Orbán auf jeden Fall verhindern möchte. Deshalb ist eine legitime Frage, welche 'Deals' diese Personen mit Russland haben bezüglich der Ölversorgung und welchen persönlichen Nutzen sie davon haben. Die Frage ist, was Putin Orbán und Konsorten angeboten oder gegeben hat, damit sie ihn so verkrampft vor einem Embargo schützen.“
Sogar die Višegrad-Partner wenden sich ab
Ungarn wird immer mehr zum Paria der EU, meint Jutarnji list:
„Budapest erlaubt nicht, dass militärische Hilfe [für die Ukraine] über ihr Territorium transportiert wird, wehrt sich gegen zu starken Druck auf Russland. Polen will seitdem nichts mehr von Orbán hören, Tschechien und die Slowakei wenden sich ab. Am Montag gab es in Brüssel ein Non-Paper der kleineren Mitgliedsstaaten gegen die Idee der Änderung der Grundverträge der EU, doch niemand lud Ungarn ein, sich dazuzugesellen. ... Deutsche, französische und italienische politische Leader sprechen offen davon, dass man vor einem Europa der zwei Geschwindigkeiten nicht zurückschrecken soll. Orbáns Ungarn wird in diesem Kontext zur dritten [Geschwindigkeit], ein Abtrünniger.“