Großbritannien: Sunak und Truss im Duell
Nach dem Abtreten von Boris Johnson als Parteichef bestimmen die rund 180.000 Tory-Mitglieder per Briefwahl bis September den Nachfolger, der ab Herbst das Land regieren soll. Bis dahin liefern sich Ex-Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss mehrere TV-Duelle, von denen das erste am Montag stattfand. Kommentatoren nehmen den Auftritt der beiden Stichwahlkandidaten auseinander.
Heiße Luft und nichts Erhellendes
The Independent findet die TV-Debatte zwischen Sunak und Truss unmöglich:
„Sie war nicht nur kindisch, unhöflich, pubertär, irrelevant und lächerlich. Sie war alles zusammen und das auch noch gleichzeitig. Zudem war sie komplett wahnhaft. Rishi Sunak wird angeblich eine Rezession auslösen. Liz Truss wird mit ihrer Politik, die Zinssätze von bis zu sieben Prozent vorsieht, vielleicht keine Rezession auslösen, aber dafür sorgen, dass viele Menschen ihre Häuser verlieren. Das ist zumindest das, was die beiden voneinander behaupteten. Und keiner der beiden kann wissen, wer Recht haben wird. ... Die Aussagen sind unwiderlegbar und so werden sie noch weitere sechs Wochen kursieren, hitziger werden, aber nicht mehr Erleuchtung bringen.“
Truss verdreht die Dinge mit Geschick
Liz Truss dürfte auch dank ihrer umstrittenen Methoden die nächste Premierministerin Großbritanniens werden, glaubt The Times:
„Das Erstaunliche ist, dass eine Außenministerin, die drei aufeinanderfolgenden Premiers treu diente – Cameron, May and Johnson – sich nun als eine Art rastlose Rebellin darstellt und damit auch noch durchkommt. Noch kühner ist es, wie Truss den Brexit verdreht. ... Ihren Gegner lässt sie dabei aussehen wie die selbstgefällige (was er nicht ist) Personifikation der Remain-Kampagne, die sie damals unterstützte. Genauso wie Brexitbefürworter die Brexitgegner der Panikmache angesichts der bevorstehenden Kosten eines EU-Austritts beschuldigten, so wirft Truss heute Sunak vor, der überhebliche Verfechter einer elitären Wirtschaftsorthodoxie zu sein.“
Labour lacht sich ins Fäustchen
Ein allzu schmutziges Tory-Duell wird an Sieger oder Siegerin Spuren hinterlassen, prophezeit die Neue Zürcher Zeitung:
„Nach einem Jahrzehnt an der Macht und den Turbulenzen der Ära Johnson wirkt die Tory-Partei ermattet. ... Bis zur Unterhauswahl von 2024 bleibt den Tories nur wenig Zeit, um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Erschöpft sich das sommerliche Duell in ideologischen Grabenkämpfen und persönlichen Angriffen, dient dies in erster Linie der Opposition. Die Labour-Partei produziert aus dem Material der TV-Debatten bereits fleissig Video-Clips, die sie den Tories um die Ohren schlagen will.“