Selbstzensur aus Pietät
The Guardian findet es unerträglich, dass die Trauer um die Queen das alles bestimmende Thema ist:
„Unternehmen, Geschäfte und Wohltätigkeitsorganisationen, Hochschulen, Schulen, Angestellte des öffentlichen Dienstes, jede noch so kleine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens ist aus Angst, in diesen Tagen der Trauer etwas Falsches zu tun, wie versteinert. ... Unter Politikern ist die Sorge, auch nur ein Wort von sich zu geben, das als fehl am Platze interpretiert werden könnte, am größten und so verstummen sie - und das inmitten einer Krise der Lebenshaltungskosten, obwohl ein Minister plant, den Deckel für Bankerboni zu streichen und obwohl Liz Truss ein Energiekosten-Hilfspaket anbietet, das viele Menschen nicht davor schützen wird, in eine Armutsspirale zu stürzen.“
Nostalgie ist ein Leitstern
Die Frage, ob die Monarchie unzeitgemäß ist, verbietet sich für den Kolumnisten Jan Maciejewski, der in Rzeczpospolita schreibt:
„Gehen Sie mit dieser Frage durch die Menschenmengen, die sich entlang des Trauerzugs mit dem Sarg von Elisabeth II. aufgereiht haben, oder veranstalten Sie eine ähnliche Umfrage unter denjenigen, die fast 30 Stunden gewartet haben, um ihr in London die letzte Ehre zu erweisen. Warum sind sie dort? Skeptiker und fanatische Demokraten haben in solchen Fällen eine universelle Antwort: 'Das ist bloß Nostalgie'. … Unterschätze niemals die Nostalgie, Demokrat. Denn sie ist keine Kerze, die auf dem Grab einer verlorenen Sache angezündet wird, sondern ein Leitstern. Der uns nach Hause führt.“
Die Queen hat unsere Trauer nicht verdient
Die britische Monarchie ist vor allem ein Symbol der Unterdrückung, schreibt der Kolumnist Andreas Kosiaris im Webportal Infowar:
„Der Tod von Elizabeth hat uns daran erinnert, dass die unterdrückerische Bewahrung [der Krone] versucht, sich gleichzeitig als alt, traditionell und heilig, aber auch als neu, modisch, verändert und modern zu vermarkten. Aber es hat uns auch daran erinnert, dass, egal was die Propaganda sagt, das Alte immer alt bleiben wird, das Unterdrückerische immer unterdrückerisch und kriminelle Institutionen nicht weggespült werden können. Ihre Opfer können und haben das Recht, ihre Trauer für jemanden aufzusparen, der sie verdient.“
Protest muss man aushalten können
Die Proteste mögen geschmacklos sein, aber Verhaftungen gehen zu weit, meint The Times:
„Die britischen Institutionen sind nicht so schwach, dass sie angesichts der Zurschaustellung vereinzelter Meinungen des Schutzes bedürften. Es ist doch nicht unbillig, ein System, das die Einsetzung eines neuen Staatsoberhauptes ohne Wahlen erlaubt, in einer reifen Demokratie in Frage zu stellen. ... Die Polizei steht in den kommenden Tagen vor der Herausforderung, die wahrscheinlich größten Menschenmassen in der britischen Geschichte zu bewältigen. Aber Demonstranten mit Verhaftung zu drohen mit der Begründung, sie könnten jemanden beleidigen - und das nur, weil sie leere Blätter hochhalten - ist ein Verhalten, das man normalerweise mit der russischen Polizei assoziiert. Dabei sollte es auch bleiben.“
Das Herzstück unserer Demokratie
Überhaupt kein Verständnis für Kritik an der Monarchie hat indes Daily Telegraph:
„Die konstitutionelle Monarchie und ihre strengen Grenzen, die ihr durch jahrhundertealte Tradition auferlegt sind, schützen Großbritannien vor den Gefahren eines zu schwachen oder zu starken Präsidenten. Auf diese Weise bleibt Großbritannien weniger anfällig für schleichenden Autoritarismus als jeder andere Staat. Der nicht gewählte Monarch ist ein Kristallisationspunkt der sonst gespaltenen Briten. ... Indem die Monarchie das undemokratische Herzstück unseres politischen Systems ist, schützt und erhält es die Achtung vor der Demokratie.“