COP15: Was bringt das Naturschutzabkommen?
Mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen sollen bis zum Jahr 2030 unter Naturschutz gestellt werden. Auf dieses und weitere Ziele haben sich die knapp 200 teilnehmenden Staaten beim Weltnaturgipfel in Montreal geeinigt. Inwieweit diese nicht verbindliche Abschlusserklärung der COP15 ausreicht, um die Artenvielfalt zu bewahren, debattiert Europas Presse.
Endlich einmal rechtzeitig
Zeit Online lobt das Abkommen als Erfolg:
„Schon allein, weil es jetzt kommt und nicht später. Das 30/30-Ziel sehen viele Natur- und Umweltorganisationen als würdiges Äquivalent zum 1,5-Grad-Ziel von Paris. Eine verbindliche Zahl, an der sich die Welt orientieren soll. Der Masterplan von Montreal hat dabei einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Pariser Klimaabkommen: Er kommt noch rechtzeitig. Während die Wissenschaft kaum mehr ernsthaft davon ausgeht, dass es gelingen könnte, die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad zu begrenzen, hat das Naturabkommen noch eine Chance auf Erfolg.“
Trödeln wäre ein tödlicher Fehler
Ärmel hochkrempeln und ran an die Arbeit, fordert Dagens Nyheter:
„Das sind gute Ansatzpunkte, entscheidend wird aber sein, wie sie interpretiert und umgesetzt werden. ... Denken Sie daran, wie lange es gedauert hat, bis die Klimakrise wirklich politisch aufgegriffen wurde, und wie viel einfacher es gewesen wäre, die Probleme vor 10 oder 20 Jahren zu bewältigen. Machen wir nicht noch einmal denselben Fehler und lassen Tausende von Arten aussterben, bevor wir die Notwendigkeit verstehen.“
Erfolgsbilanz fürchterlich
The Guardian sieht nichts als Augenwischerei:
„Die 23 Ziele des Cop15-Biodiversitätsabkommens reichen nicht aus, um unwiederbringliche Verluste, auch bei den vielen vom Aussterben bedrohten Arten, zu verhindern. ... Das Abkommen ist rechtlich nicht bindend, was Bedenken bezüglich der Aussichten auf eine Umsetzung weckt. Die Erfolgsbilanz globaler Biodiversitätspläne ist fürchterlich. Jedes der 20 Ziele, die 2010 im japanischen Aichi gesetzt wurden, hat man verfehlt. Das neue Abkommen wurde trotz der Einwände afrikanischer Länder abgeschlossen. Zu diesen Ländern gehörte auch die Demokratische Republik Kongo (DRC), die einen der größten Regenwälder der Welt beheimatet, der durch Öl- und Gasförderung bedroht ist.“
Es geht nicht nur ums Breitmaulnashorn
Die Rolle der Biodiversität für Wirtschaft und Klimaschutz betont La Libre Belgique:
„Mehr als die Hälfte des globalen BIP hängt von natürlichen Ressourcen und Dienstleistungen ab, die uns die Natur in vielen Bereichen bietet: Ernährung, Trinkwasser, Energie, Gesundheit … Der Schutz der Artenvielfalt bedeutet daher nicht nur, das letzte Breitmaulnashorn zu retten. Allein der Verlust der Bestäuberinsekten könnte die landwirtschaftlichen Erträge beispielsweise um 500 Milliarden Dollar jährlich verringern. Auch dürfen wir nicht vergessen, welchen Puffereffekt die Ökosysteme zu Land und zu Wasser haben, da sie einen Teil unserer negativen Klimabilanz eliminieren, indem sie die Hälfte unserer CO2-Emissionen absorbieren.“
Die Schäden sind schon zu gravierend
Für den Erhalt der Artenvielfalt reicht es nicht mehr aus, Gebiete unter Schutz zu stellen, mahnt der Biologe Pedro Prata in Público:
„Derzeit geht es vor allem darum, durch menschliches Handeln geschädigte Gebiete zu renaturieren, um die Ökosysteme zu vervollständigen und widerstandsfähiger zu machen und die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf den Planeten zu verringern. Es ist notwendig, das Wort 'bewahren' in Portugal, Europa und anderen Regionen der Welt zu überdenken. Es reicht nicht mehr aus, das zu erhalten, was von den Ökosystemen übrig geblieben ist, denn selbst Gebiete, die als 'geschützt' gelten, sind oft degradiert und weisen unvollständige und nicht funktionsfähige Ökosysteme auf.“
Sechste Aussterbewelle verhindern
Estland sollte sich an die Hausaufgaben setzen, meint Postimees:
„In Estland sind 23 Prozent der Fläche unter Naturschutz, das heißt auch hier muss man daran denken, wie und wo man erweitert. Die Ziele des Montreal-Kunming Abkommens werden durch die Warnung der Wissenschaftler gestützt, dass wegen menschlicher Tätigkeit die sechste Aussterbewelle auf der Erde beginnt. Das wäre der größte Verlust lebendiger Natur seit dem Aussterben der Dinosaurier auf dem Planeten. Naturschutz ist teuer. Nachhaltigeres und naturschonendes Verhalten wird wahrscheinlich die Wirtschaft bremsen und Menschen finanziell ärmer machen. Saubere und artenvielfältige Natur kann man aber schwer in Geld messen.“