EU-Staaten beschließen Gaspreisdeckel
Nach langem Ringen haben sich die EU-Staaten darauf geeinigt, den Preis für Gas künftig unter bestimmten Umständen auf 180 Euro pro Megawattstunde zu deckeln. Damit sollen Kunden ab Mitte Februar vor explodierenden Energiekosten geschützt werden. Der Deckel kann ausgesetzt werden, wenn es zu Engpässen kommt.
Prag hat geschickt taktiert
Zur deutschen Haltung meint Deník:
„Der Zauber der Mehrheitsentscheidung, den Bundeskanzler Scholz in seiner großen Europarede in Prag so gepriesen hat, hat sich gegen Deutschland gewendet. Denn selbst die Bundesrepublik, so groß sie auch ist, hat per se keine 'Sperrminorität'. Und beim Gasdeal verschwanden Berlins letzte Verbündete wie Dampf aus einem Topf. Zudem hat sich die Taktik Tschechiens ausgezahlt, ein Paket zu schnüren, das Unannehmlichkeiten bei einer Sache durch Vorteile bei einer anderen versüßt. ... Es ist das beste Ende, das wir uns nach einem extrem dramatischen Jahr hätten wünschen können.“
Der Süden hat sich durchgesetzt
El País findet, Südeuropa bekommt mehr Gewicht in der EU:
„Dies ist eine beispiellose und noch vor wenigen Monaten undenkbare Maßnahme und ein neues Beispiel für den radikalen Kurswechsel der EU, der einen Sieg des Südens und der Peripherie darstellt. Die Position Spaniens, das hart verhandelt hat und federführend war, wird besonders gestärkt. Die Zeiten, in denen die nördlichen Länder systematisch alle wirtschaftlichen Kämpfe innerhalb der EU gewonnen haben, sind vorbei. Aus rein wirtschaftlicher Sicht bietet der Mechanismus eine zusätzliche Maßnahme gegen Spekulationen und einen möglichen Preisanstieg im nächsten Sommer, wenn die Speicher für den Winter 2023 gefüllt werden.“
Sieg und Niederlage zugleich
La Repubblica kommt zu einem zwiespältigen Urteil:
„Ein Sieg gegenüber Russland, eine Niederlage für die europäische Energiepolitik. Ein Sieg, denn die Europäische Union hat sich, wie schon bei den Sanktionen und den Waffenlieferungen an die Ukraine, erneut zusammengeschlossen, um dem russischen Expansionismus entgegenzutreten. … Der Gaspreisdeckel ist eine Niederlage für die EU-Energiepolitik, da sie die Suche nach alternativen Quellen nicht anregt, sondern das Angebot lediglich verlagert. An die Stelle Russlands treten Algerien, Katar, die Vereinigten Staaten und Norwegen. ... Besser wäre es gewesen, Anreize für die Energiewende zu schaffen, und zwar für die Nutzung erneuerbarer Energien.“
Besser gar nicht aktivieren
Für die Süddeutsche Zeitung ist der Gaspreisdeckel eine gefährliche Scheinlösung:
„Künstlich verbilligte Preise könnten die Nachfrage anheizen, obwohl Europa sparen muss. Zugleich könnten Förderländer ihre Tankschiffe mit Flüssigerdgas zu besser zahlenden Kunden umleiten. ... Der Kompromiss sieht nun ein recht niedriges Limit vor, aber verknüpft mit harten Klauseln zum Schutz der Versorgungssicherheit. Führt die Obergrenze zu deutlich mehr Verbrauch oder weniger Angebot, wird sie sofort wieder ausgesetzt. Noch besser wäre es freilich, den unseligen Deckel gar nicht erst zu aktivieren.“
Man muss mit Spekulation rechnen
Das Wirtschaftsportal Portfolio schließt künftige Preiserhöhungen nicht aus:
„Eine Preisobergrenze von 180 Euro könnte eine erhebliche Einschränkung für Markttransaktionen sein, wenn man bedenkt, dass der Preis an der TTF-Börse Ende letzten Jahres auf etwa dieses Niveau gesprungen und im Frühjahr dieses Jahres, nach dem Ausbruch des Krieges, noch weiter gestiegen ist. ... Derzeit ist der Marktpreis zwar in einer 'komfortablen Distanz' zur neuen Preisobergrenze; allerdings können solche Markthemmnisse gleichzeitig die Marktspekulanten motivieren, die Reaktion der politischen Entscheidungsträger zu testen.“