Was bedeutet Ruttes Entschuldigung für Sklaverei?
Fast 150 Jahre nach dem Ende der Sklaverei in niederländischen Kolonien hat sich Premier Mark Rutte posthum bei den schätzungsweise 600.000 versklavten Menschen und ihren Nachfahren entschuldigt. Kommentatoren zeigen auf, was aus dieser Entschuldigung folgen müsste.
Das kann nur ein Anfang sein
Langsam sickert in das öffentliche Bewusstsein der Niederlande, welches Unrecht getan wurde, freut sich De Volkskrant:
„In dieser Hinsicht kann man die Entschuldigung als einen ungeheuren Erfolg sehen für die Aktivisten, die das solange gefordert haben, und damit als Ende des Prozesses. Die Empfänger selbst sprechen lieber von einem Anfang. Oder man könnte von einem Komma sprechen, wie Rutte selbst sagte. Denn Entschuldigungen können nicht ohne Konsequenzen bleiben.“
Checkt eure Privilegien!
Es muss auch darum gehen, das Bewusstsein der Niederländer dafür zu schärfen, welche Privilegien sie durch den Kolonialismus bis heute haben, fordert die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Bis heute profitiert ihr Land von seinem Reichtum im 'Goldenen Zeitalter', der mit so finsteren Mitteln erwirtschaftet wurde. Unbequeme Debatten sind dabei hilfreich, denn verordnen lassen sich solche Einsichten nicht. Sie sollten aber nicht das Wesentliche aus dem Auge verlieren: dass, wie Rutte sagte, die schändliche Vergangenheit 'enorm durchschlägt' auf die Chancengleichheit von heute.“
Wahlkampf könnte alles zunichtemachen
Die Auswirkungen dieser Entschuldigung sind fraglich, sind die Niederlande in dieser Frage doch sehr uneins, merkt NRC Handelsblad an:
„[Der Rechtspopulist] Geert Wilders entschuldigte sich auf Twitter für die Entschuldigung von Rutte. Er wird, so ist die Erwartung, in der Zweiten Kammer deutlich machen, was er davon hält. Auch um damit der [rechtsliberalen Partei von Rutte] VVD in die Quere zu kommen, denn der Wahlkampf beginnt: Im März sind die Provinzwahlen. Und es ist auch längst nicht sicher, dass der rechts-konservative Teil der VVD-Wählerschaft die Entschuldigung auch für so eine gute Idee hält.“
Belgien weigert sich, in den Spiegel zu schauen
Am Tag der Entschuldigung Ruttes ist in Belgien ein Parlamentsausschuss zur Aufarbeitung der Kolonialzeit ohne Beschluss beendet worden. Belgiens König Philippe hatte bei Besuchen im Kongo sein Bedauern ausgedrückt, aber das Wort "Entschuldigung" vermieden - Beobachter vermuten, aus Angst vor Reparationsforderungen. Journalist Bart Eeckhout ist in De Morgen genervt:
„Ach Mensch, es geht nicht um dich oder mich. Es geht um die Anerkennung von historischem Leid und den Beginn des Gesprächs über die Zukunft von Gleichgestellten. … Es ist bittere Ironie, dass ausgerechnet am Tag des belgischen Nein der niederländische Premier sich klar und offen für die Sklaverei in kolonisiertem Gebiet entschuldigte. … Auch das Gequatsche von den Reparationszahlungen ist nichts weiter als eine Weigerung. Eine Weigerung, in den Spiegel zu schauen, so viele Jahrzehnte später.“