Krieg gegen Ukraine: Russland tauscht Kommandeur
Wladimir Putin hat erneut den Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine getauscht: Statt des erst im Oktober eingesetzten Generals Sergej Surowikin bekommt nun der Generalstabschef Valerij Gerassimow selbst das Kommando. Kommentatoren sehen im Kreml eine Rückbesinnung auf alte Garden und befürchten für die Ukraine eine neue Großoffensive.
Ein Aufbäumen gegen den Absturz
Ein bröckelnder Machtapparat versucht sich verzweifelt gegen neue Emporkömmlinge zu wehren, analysiert Politologin Jekaterina Schulmann auf Facebook:
„Aus der Außenperspektive ist hier der Sieg der regulären Streitkräfte gegen die Piraten des Krieges zu erkennen. ... Aus der Sicht des Apparats kann man den Verteidigungsminister und seine alternden Bediensteten beglückwünschen. Was die Typologie des Systems angeht, so sehen wir, dass das System versucht, es selbst zu bleiben - eine kollektive Bürokratie: Von der rasanten Verwilderung erschreckt, wehrt sich das System mit aller Kraft gegen das Abrutschen am bröckelnden Abhang. Daraus folgt nicht, dass dieser Abwehrkampf erfolgreich ist, aber die Absicht ist offensichtlich.“
Hilflose Rochaden in einem Krieg ohne Ziel
Nichts als eine weitere Geste der Planlosigkeit sieht Journalist Stanislaw Kutscher in einem von Echo übernommenen Telegram-Post:
„Der Krieg, der nach drei Tagen enden sollte, dauert schon 323 Tage. Die Kämpfe um Soledar werden von der Propaganda fast wie die Schlacht von Stalingrad dargestellt. Die Kriegsziele werden nicht formuliert, kein Weg zum Sieg skizziert. In so einem Kontext wirkt die Personalentscheidung wie ein impulsiver, hektischer Versuch, die Lage irgendwie zu ändern. ... Man sollte nicht nach Logik suchen, wenn das Ziel des Kämpfens nicht darin liegt, zu siegen, sondern allein den Grund hat, dass man es sich nicht leisten kann aufzuhören, da man den Frieden mehr fürchtet als den Krieg.“
Vorbereitungen auf Frühjahrsoffensive beginnen
Die Entscheidung deutet auf eine Verschärfung des Konflikts hin, befürchtet auch La Repubblica:
„Es handelt sich um weit mehr als um eine reine Umbesetzung. Es ist eine weitere Reaktion von Schoigu und dem Kreml auf die offene Kritik der Nationalisten und die wachsenden und ungern gesehenen Ambitionen des [Chefs der Wagner-Söldner] Jewgeni Prigoschin. ... Die Ernennung von Gerassimow ist aber vor allem der letzte Streich im Hinblick auf die bevorstehende 'Frühjahrsoffensive' , bei der die 150.000 'Mobiks', die in den letzten Monaten von Moskau mobilisierten und ausgebildeten Rekruten, zum Einsatz kommen sollen.“
Das bedeutet weitere Eskalation
Diese Ernennung verheißt nichts Gutes, befürchtet Strana:
„Die russische Führung hat den Status des Befehlshabers der 'Spezialoperation' beträchtlich erhöht. Im Wesentlichen sind ihm nun die gesamten russischen Streitkräfte unterstellt, und es wurden enorme Ressourcen gebündelt (die Surowikin nicht zur Verfügung standen). In den russischen Telegram-Kanälen wurden u.a. folgende Begründungen diskutiert: 1. Der Zweck besteht darin, die Führung effektiver zu gestalten und eine Dopplung von Befugnissen zu vermeiden, war doch die Armee faktisch von Gerassimow befehligt worden, daneben wirkte aber immer auch noch Surowikin. ... 2. Die Ernennung Gerassimows ist ein Zeichen dafür, dass eine russische Großoffensive vorbereitet wird, für die der Generalstabschef das direkte Kommando übernommen hat.“