Atomwaffen in Belarus: Gefahr für Europa?
Moskau und Minsk haben am Donnerstag die Stationierung von Atomwaffen in Belarus vertraglich vereinbart. Die Kontrolle darüber solle aber weiter bei Russland liegen. Laut dem belarusischen Machthaber Lukaschenka hat die Verlegung bereits begonnen. Inwieweit das eine Bedrohung darstellt, bewerten Kommentatoren unterschiedlich.
Erinnerung an die Kubakrise
Ein Tabu wird gebrochen, klagt La Repubblica:
„Die Sprengköpfe verbleiben unter Moskaus Kontrolle und können von Lukaschenkas Militär genutzt werden: das gleiche Verfahren - wie Wladimir Putin nicht überraschend betonte - wie bei den US-Sprengköpfen in den europäischen Nato-Staaten, einschließlich Italien. Mit einem großen Unterschied: Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden diese Arsenale abgebaut und ein Teil davon in die USA zurückgebracht. Russland hingegen verteilt sie nun außerhalb seiner Grenzen und bricht damit ein von allen Mächten respektiertes Tabu: Der einzige Präzedenzfall ist der, der 1962 zur Kubakrise führte.“
Militärisch ändert sich nichts
Putin geht es vor allem darum, Angst zu schüren, glaubt die Berliner Morgenpost:
„Genau diese Angst ist Putins stärkste Waffe. Denn seine Armee kommt in der Ukraine nicht voran. Hält der Westen an seinen Waffenlieferungen fest, drohen Russland weitere Niederlagen. Zugleich sind sich alle Fachleute einig, dass ein Einsatz von Nuklearwaffen in der Ukraine militärisch nicht den geringsten Sinn ergibt. Was auch sollte eine Atombombe in Bachmut ausrichten oder sonst irgendwo an der Front? Die eigenen Soldaten wären ebenso Ziel wie der Gegner. Nein, faktisch ändert die Stationierung von Atomwaffen in Belarus nichts an der Bedrohungslage. Wenn Putin den Nukleareinsatz wollte, hätte er ihn längst befehlen können.“
Wachsende, aber keine unmittelbare Bedrohung
Gazeta Wyborcza fordert die Nato zur Wachsamkeit auf:
„Die Entscheidung Putins bedeutet keineswegs, dass wir einem Atomkrieg näher sind. Ein Depot, in das die Russen eine bestimmte Anzahl von Sprengköpfen und taktischen Bomben von einem anderen Stützpunkt verlagern werden, macht strategisch gesehen kaum einen Unterschied. Aber allein die Tatsache, dass es in unmittelbarer Nähe zur Ostgrenze der Nato entsteht, während Russland dort seine Boden-Boden-Raketen stationiert, stellt eine Gefahr für das Bündnis dar.“
Belarus auf Anschlusskurs?
Um Putins Ukraine-Debakel zu kaschieren, könnte dies der Anfang einer Vereinnahmung von Belarus sein, meint Politologe Abbas Galliamow in einem von Echo übernommenen Telegram-Post:
„Da es nicht gelang, die Ukraine zu besiegen, könnte Putin versuchen, seine zunehmend frustrierte Basis zu befriedigen, indem er sich die dringend benötigte Trophäe anderswo holt - in Minsk. Dafür müsste sich Russland mit Belarus vereinen. Es würde dann heißen: Wir haben den Donbass so gut wie möglich abgesichert und jetzt stärken wir unsere geopolitische Position, indem wir die Grenze 650 Kilometer nach Westen schieben. … Und das politische Gesinde im Kreml hätte einen Grund, wieder einmal ein 'geniales Manöver' des russischen Präsidenten zu preisen.“