Estland will russischen Bürgern Wahlrecht entziehen
In Estland besitzen alle ständigen Einwohner das Wahlrecht auf kommunaler Ebene. So dürfen auch russische Staatsbürger und Staatenlose wählen. Das Justizministerium bereitet nun eine Gesetzesänderung vor, diese Bestimmung aufgrund des russischen Angriffskriegs zu ändern und russischen Staatsbürgern in Estland das Wahlrecht zu entziehen. Die estnische Presse ist sich uneins über Sinn und Zweck des Vorhabens.
Staatsbürgerschaft ist ein Statement
Postimees findet nicht, dass russische Staatsbürger in Estland an Wahlen teilnehmen sollten:
„Es ist klar, dass unter den derzeitigen Umständen die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft der Russischen Föderation eine Unterstützung für den Aggressorstaat darstellt. Für wen haben die in Estland lebenden russischen Bürger in der Botschaft zur Wahl des Präsidenten gestimmt? Putin! Die Gewährung des Wahlrechts bei Kommunalwahlen in Estland war seinerzeit ein politischer Kompromiss. Jetzt hat sich die Situation grundlegend geändert. Die Russische Föderation ist von den Vereinten Nationen zum Aggressor erklärt worden, und ihre in Estland lebenden Bürger sollten nicht an den Kommunalwahlen teilnehmen dürfen.“
Keine kollektive Schuldzuweisung
Der Entzug des Wahlrechts von Russen zeugt von einem problematischen Demokratieverständnis, kritisiert Sozialdemokrat Eduard Odinets in Eesti Päevaleht:
„Sollten wir alle, die den Pass eines Aggressorstaates besitzen, für die Handlungen des kriminellen Regimes mitverantwortlich machen? Wäre es dem Einbürgerungs- und Integrationsprozess in Estland wirklich dienlich, wenn man alle, deren Pass die Flagge des Aggressorstaates trägt, kollektiv verantwortlich macht? Oder werden wir das Gegenteil bewirken, indem wir die politischen Rechte Zehntausender dauerhaft ansässiger Personen einschränken? Meiner Meinung nach wäre das Schüren einer solchen Unzufriedenheit ein größeres Sicherheitsrisiko für Estland als Kommunalwahlen.“