Trump: Schuldig in allen 34 Anklagepunkten
Im Prozess um Schweigegeld-Zahlungen an eine Pornodarstellerin hat die Jury Donald Trump einstimmig in allen Anklagepunkten für schuldig befunden. Das Strafmaß soll am 11. Juli bekanntgegeben werden - wenige Tage, bevor die Republikaner Trump erneut zum Präsidentschaftskandidaten nominieren wollen. Selbst wenn der Ex-Präsident ins Gefängnis müsste, könnte er seine Kandidatur aufrechterhalten.
Radikalisierung zu befürchten
Die Mehrheit der Trump-Anhänger dürfte auch weiterhin zu Trump stehen, erinnert Kaleva:
„Als Nächstes startet Trump einen heftigen Angriff auf das Justizsystem. Vorwürfe einer Hexenjagd und eines verrotteten, von der Elite dominierten Gerichts wurden bereits laut. Wenn es überhaupt jemand versteht, die Botschaft auf den Kopf zu stellen und seine Anhänger zu mobilisieren, mit Schmutz zu werfen, dann Trump. Laut einer von ABC News Anfang Mai veröffentlichten Umfrage lassen sich Trumps Anhänger von dem Urteil nicht beeindrucken. Nur vier Prozent gaben an, dass sie ihren Kandidaten wechseln würden. … Das schlimmste Szenario wäre, dass Trump beginnt, seine Anhänger zu radikalisieren und sie anzustacheln, die an ihrem Helden begangene 'Ungerechtigkeit' zu rächen.“
Redlichkeit spielt kaum noch eine Rolle
Trump wird weiter profitieren, meint das Webportal In:
„Das eigentliche und tiefere Problem der Geschehnisse in den USA und der Verurteilung von Donald Trump besteht nicht darin, dass er verurteilt wurde, sondern in der Tatsache, dass sich dies möglicherweise überhaupt nicht auf das Wahlergebnis auswirkt. ... Das zeigt, dass die Identifikation zwischen Wählern und Politikern allmählich Kriterien wie Redlichkeit oder Ehrlichkeit, die unersetzlich schienen, nicht mehr umfasst. Jetzt kommt es nur noch darauf an, ob jemand die richtige populistische Rhetorik hat, auf die Art und Weise, Gegner zu dämonisieren und Feinde zu schaffen, auf das Geschick, soziale Medien zu nutzen. Selbst Unehrlichkeit und Straffälligkeit werden als 'Pluspunkte' gewertet.“
Es kommt auf die Unentschlossenen an
Die Gerichtsprozesse gegen Trump könnten durchaus die Wahl entscheiden, schreibt Club Z:
„Die psychologische Wirkung der Gerichtsprozesse auf die Wähler darf nicht unterschätzt werden. Trumps treue Anhänger werden versuchen, ihn zu sakralisieren, aber die Mehrheit der Amerikaner vertraut ihrer Justiz immer noch mehr. Diese hat ihr hartes Wort gesprochen: Trump ist ein Verbrecher. ... Trotz Bidens schwacher Amtsführung werden sich die gemäßigten Wähler am 5. November also fragen: Will ich einen kriminellen Präsidenten? Das Gefängnis wird Trump wahrscheinlich nicht aufhalten, aber der gesunde Menschenverstand einer kleinen Zahl unentschlossener Wähler könnte durchaus den Ausschlag geben.“
Geschworene sind beste Garantie für Unabhängigkeit
Adevărul setzt sich mit Trumps Vorwürfen einer voreingenommenen Jury auseinander:
„Das Geschworenengericht ist die größte Stärke der amerikanischen Justiz, die sich von der europäischen unterscheidet. Die in Geschworenengerichte gewählten Bürger sind ganz normale Menschen, die sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von der Verteidigung akzeptiert werden und die beste Garantie dafür sind, dass die Entscheidung in einem Verfahren nicht durch politische oder materielle Einflüsse beeinflusst wird. ... Trumps Vorwürfe von einer von [US-Präsident Joe] Biden politisch dirigierten Justiz sind also keineswegs stichhaltig.“
Nachteil im Kopf-an-Kopf-Rennen?
Die Folgen des Urteils für die Wahlen im November sind ungewiss, erörtert Corriere della Sera:
„Eine Umfrage der Quinnipiac University vom letzten Monat ergab, dass sechs Prozent von Trumps Wählern weniger bereit wären, für ihn zu stimmen, wenn er verurteilt würde. Eine geringe Zahl, die aber in einem Kopf-an-Kopf-Rennen wie dem gegen Biden von Bedeutung sein könnte. Andere sind der Meinung, dass diese Verurteilung bei der Wahl in fünf Monaten, bei der für die US-Amerikaner die Wirtschaft im Vordergrund steht, wenig ins Gewicht fallen wird. Außerdem hat Trump diesen Prozess genutzt, um sich als Opfer des Systems darzustellen und seine Wählerschaft zu mobilisieren.“
Nur die Wahlurne zählt
Ob Trump wiedergewählt wird, entscheidet nicht das Gericht, betont Ilta-Sanomat:
„Das Trump-Urteil hat vor allem symbolischen Charakter. ... Nichts im New Yorker Urteil hindert Trump daran, eine weitere Amtszeit als Präsident anzustreben. Selbst im theoretischen Fall, dass er ins Gefängnis müsste. Er könnte hinter Gittern zum Präsidenten gewählt werden. Wie Präsident Joe Biden unmittelbar nach dem Urteil sagte, kann Donald Trump nur durch Wahlen vom Weißen Haus ferngehalten werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwierig, die Auswirkungen von Trumps Verurteilung auf den Wahlausgang zu beurteilen.“
Historische Schande
The Economist glaubt nicht, dass die Verurteilung Trump zu Fall bringen wird:
„Diese historische Schande sollte die Nation sowohl schockieren als auch eine Beruhigung hinsichtlich ihrer Fähigkeit sein, für Gerechtigkeit zu sorgen. Dass die Verurteilung von Donald Trump wahrscheinlich weder das eine noch das andere bewirken wird, zeugt zum einen von der zersetzenden Kraft der Schamlosigkeit Trumps und zum anderen von der komplexen und anfechtbaren Beschaffenheit der gegen ihn erhobenen Vorwürfe. ... Vielleicht wird diese Verurteilung, wie einige Umfragen vermuten lassen, unabhängig denkende Wähler dazu bringen, sich von Trump abzuwenden. Wenn nicht, dann könnte die Schweigegeld-Zahlung an Daniels Trumps Wahl ein zweites Mal ermöglichen.“
Kein Urteil über den eigentlichen Skandal
Gefahren für die Demokratie werden durch das Urteil nicht abgewehrt, betont Dagens Nyheter:
„Trump ist in vier Fällen angeklagt und dies ist derjenige, der am leichtesten wiegt und am einfachsten in Zweifel zu ziehen war: Der Staatsanwalt hatte angekündigt, Trump hart zu attackieren, die Jury stammte aus einer der stärksten Hochburgen der Demokraten und der Richter hat ebendieser Partei den einen oder anderen Dollar gespendet. ... Trump ist für den ungeheuerlichen Versuch angeklagt, einen friedlichen Machtwechsel zu verhindern. Vieles spricht allerdings dafür, dass [in jenem Fall] keine rechtliche Prüfung vor der Wahl stattfinden wird. ... Trump muss sich also nicht wegen seiner Drohungen gegen die Demokratie verteidigen, und der Trumpismus kann auf dem eingeschlagenen Weg weiterwandeln.“