KI: Läuft China den USA den Rang ab?
Ein kürzlich vom chinesischen Unternehmen DeepSeek vorgestelltes KI-Modell hat die Börsenkurse mehrerer US-Konzerne fallen lassen. Angeblich soll der neue Chatbot R1 preiswerter entwickelt worden sein und mit deutlich weniger Rechenleistung auskommen als bisherige Produkte. Das stellt Milliardeninvestitionen in die Chipentwicklung und riesige Rechenzentren infrage. Europas Presse fragt sich, wo hier der eigene Kontinent steht.
Regeln nötiger denn je
De Standaard warnt vor einer ungebremsten Entwicklung:
„Es war schon eine düstere Aussicht, dass die immer weiter entwickelte KI und bald auch AGI (Artificial General Intelligence, KI, die es mit menschlicher Intelligenz aufnehmen kann) in den Händen einer kleinen Anzahl von Unternehmen sein würde. Aber auch das Gegenteil, dass hochentwickelte KI fast ohne Hindernisse produziert werden kann, ist wirklich dystopisch. Die Tech-Bosse umarmen Trump, weil er Regeln abschaffen wird. Doch auch dieses Credo kann über Bord geworfen werden. Grundregeln für KI werden unvermeidlich – ein entscheidender Auftrag für Regierungen, der essentiell ist, um die nationale Sicherheit zu schützen.“
EU hinkt einmal mehr hinterher
Europa schaut beim KI-Wettrüsten nur zu, kritisiert Die Presse:
„Selten noch hat der traurige Spruch, wonach die USA innoviere, China kopiere und Europa reguliere, so treffend gewirkt wie bei der künstlichen Intelligenz. In den USA hat der neue Präsident, Donald Trump, gerade alle Beschränkungen aufgehoben … Das mag Innovationssprünge begünstigen, birgt aber Risiken für Datenschutz, Ethik und Sicherheit. Ein Wettlauf ohne Regeln taugt ebenso wenig als Vorbild wie Chinas regimetreue KI. Europa aber erlässt Regeln für Systeme, bevor sie sich überhaupt etablieren können, um die Menschen vor der KI zu schützen. … Dass Europa deswegen den internationalen Wettbewerb beispielsweise um die KI verliert, scheint man in Kauf zu nehmen.“
Europa kann immer noch vorne mitspielen
Der Tagesspiegel hofft auf eine dritte Lösung:
„[E]in europäisches Modell. Eines, das nicht zensiert und Fakten frei zugänglich macht. Hier muss die Europäische Union handeln, und zwar schnell. Forschungsgelder müssen in die richtigen Start-ups fließen, die Eigenes entwickeln oder auf DeepSeek aufbauen können. Auch Initiativen wie das europäische Forschungsprojekt Open-GPTX sollten entschieden gefördert werden. ... Der Triumph von DeepSeek zeigt auch: Man muss nicht immer der Erste sein, um vorne mitzuspielen. In diesem Fall wären die Europäer die Dritten, könnten aber dennoch Entwicklungen entscheidend vorantreiben – im Sinne der Freiheit.“
DeepSeek lässt die Blase platzen
Es ist nicht überraschend, wie erfolgreich China im Technologierennen mitmischt, meint The Spectator:
„Angesichts der Tatsache, dass China inzwischen jedes Jahr mehr Hochschulabsolventen in den Bereichen Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwissenschaften und Mathematik hervorbringt als der Rest der Welt zusammen, erschien es schon immer kurzsichtig, einen technologischen Kampf gegen China zu führen. Warum sollte China mit all seinem Kapital und seinen personellen Ressourcen nicht in der Lage sein, den technologischen Vorsprung des Westens aufzuholen – und vielleicht sogar zu überholen? ... Jetzt sieht es so aus, als ob die Hunderte von Milliarden, die von den Riesen der US-Technologie ausgegeben wurden, im Wesentlichen Kapital sind, das niemals eine Rendite abwerfen wird.“
Startschuss für ein richtiges Spiel
Das tut dem Wettbewerb gut, freut sich La Stampa:
„Jetzt ist es ein richtiges Spiel. Mit einem Team, das angreift, und einem Team, das verteidigt, mit Vorstößen und Rückschlägen. Das Rennen um die künstliche Intelligenz ist nun in vollem Gange mit dem chinesischen Projekt DeepSeek, das gezeigt hat, dass es mit den amerikanischen Meistern auf diesem Gebiet mithalten kann. Eine Herausforderung, die in gewisser Weise auch Europa berührt. Das plötzlich Gefahr läuft, seine Rolle zu ändern: vom Schiedsrichter zum Zuschauer, vom Kontinent an der Spitze der KI-Regulierung und -Rechtsprechung zum passiven Nutzer der anderswo entwickelten Technologien. Trotz seines Reichtums, trotz des Könnens seiner Unternehmen und seiner Ingenieure.“
Nun geht es um die Effizienz der Anwendung
Financial Times analysiert:
„Viele fortgeschrittene Demokratien werden eine chinesische Regierung, die in vielerlei Hinsicht westlichen Interessen feindlich gegenübersteht und nun womöglich die Führung in der revolutionärsten Technologie unserer Zeit übernimmt, mit Argwohn betrachten. Einige politische Entscheidungsträger in anderen Ländern – sowie viele Verbraucher und Entwickler – könnten jedoch einen Markt begrüßen, der weniger von einer Handvoll amerikanischer Unternehmen dominiert wird. Die offene Frage ist nicht unbedingt, wer die besten KI-Modelle entwickeln wird, sondern wer am besten in der Lage sein wird, sie auf reale Aufgaben anzuwenden.“
Was die Chatbots voneinander halten
La Vanguardia vergleicht die Tools:
„Fragt man ChatGPT nach seinem Konkurrenten, lobt es die Effizienz und die niedrigen Kosten des Tools. Ein erstaunlich unpatriotisches Eingeständnis. ... Stellt man die Frage dem chinesischen Chatbot, erfährt man, dass die amerikanische KI kreativer ist und bei der Suche feinere Filter nutzt, während die chinesische KI bei technischen Aufgaben wie Programmierung und Mathematik überlegen ist. ... Frage: 'Was geschah 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens?' Antwort: 'Tut mir leid, ich bin mir noch nicht sicher, wie ich diese Art von Frage angehen soll.' ... Zu den Fake News gesellt sich nun Schweigen. ... Der technologische Wettbewerb zwischen den USA und China könnte die Demokratisierung der KI beschleunigen. Und Europa? Abwesend und mit Musk beschäftigt.“