Steht die Rückkehr der Anti-Personen-Minen bevor?
Polen und die baltischen Staaten haben gemeinsam erklärt, die Ottawa-Konvention zum Verbot von Anti-Personen-Minen aufkündigen zu wollen, um sich gegen die wachsende Bedrohung durch Russland und Belarus besser zu schützen. Auch Finnland erwägt einen Austritt. Zwischen Verständnis und Empörung finden sich in den Kommentarspalten auch Versuche, einen Mittelweg aufzuzeigen, der die Gefahr für Zivilisten minimiert.
Reaktion auf wachsende Besorgnis
Spotmedia hat Verständnis für die Entscheidung in Warschau:
„Polen wird aus der Ottawa-Konvention austreten, die den Einsatz von Anti-Personen-Minen regelt. Diese Entscheidung, die wegen der russischen Bedrohung getroffen wurde, könnte die Ostgrenze der Nato in ein Minenfeld verwandeln. Doch die Entscheidung, sich aus dem Vertrag zurückzuziehen, unterstreicht die wachsende Besorgnis in Europa über die russische Aggression. Sie ist Teil einer Reihe von Schritten, die Warschau unternommen hat, um sich auf einen möglichen Konflikt mit Moskau vorzubereiten.“
Es muss ohne geächtete Waffen gehen
Der Tages-Anzeiger mahnt:
„Man kann verstehen, dass diese Staaten um ihre Sicherheit besorgter sind als andere Nato-Mitglieder, die weit entfernt von Russland liegen. Allerdings darf man wohl allen Ländern auch innenpolitische Motive unterstellen. Polen befindet sich im Präsidentschaftswahlkampf, und es ist nicht das erste Mal, dass Ministerpräsident Donald Tusk plötzlich Vorschläge der früher regierenden rechtsnationalistischen PiS-Partei aufgreift. In Estland stürzte kürzlich ein Koalitionsbruch die Regierung in eine Krise. In allen betroffenen Ländern herrscht ein ständiger politischer Kampf um die beste Verteidigungsstrategie. Weitblick und ethisches Handeln geraten dabei offenbar zunehmend aus dem Blick. Verteidigung und Abschreckung sind notwendig. Zu Recht geächtete Waffen braucht es dafür nicht.“
Schuld liegt nicht beim Verteidiger
Die Frankfurter Rundschau gibt zu bedenken:
„[F]ür Neurotiker fern aller Fronten wie Trump und Putin bleibt Krieg immer ein probates Mittel der Machtausdehnung und des Machterhalts. Für Trump sind Kriegstote ja 'Versager', und den Kreml haben eigene Verluste noch nie gekratzt. Für Polen und das Baltikum geht es aber ums Überleben, wenn die beiden großen Verderber beginnen, Europa untereinander aufzuteilen. Dass das kleine Baltikum ohne strategischen Rückzugsraum bereit ist, ganze Landstriche auf lange Zeit als Todesäcker aufzugeben, müssen wir im noch sicheren Westeuropa als ein großes Opfer respektieren. Dass das ausgerechnet mit einer so verachtenswerten Waffe geschehen muss – eine Alternative gibt es nicht –, muss uns wütend machen. Auf Russland.“
Verantwortungsvoller Einsatz ist möglich
Finnlands Verteidigungsfähigkeit würde durch die Wiedereinführung der Minen weiter gestärkt, erläutert Aamulehti:
„Minen haben weltweit Angst ausgelöst, weil sie Zivilisten verletzen und töten. Unsere Minen würden aber nur eingesetzt, um den Feind daran zu hindern, in unser Land einzudringen. ... Finnland ist auch in anderer Hinsicht ein verantwortungsvoller Minenleger: Die Standorte der Minen werden auf einer Karte digital erfasst und wenn die Krise vorbei ist, werden die Minen geräumt, so dass sie keine Gefahr mehr für die Zivilbevölkerung darstellen. Europa fordert eine stärkere Verteidigung. Finnland hat dem bereits Folge geleistet, aber die Wiedereinführung der Minen wäre eine wichtige und kostengünstige Ergänzung. Und sie wären eine starke Abschreckung für Feinde.“
Minen haben sich weiterentwickelt
Das Fachportal Defence24 begrüßt die Entscheidung:
„Der Austritt aus der Ottawa-Konvention ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch birgt er für Polen weitere Herausforderungen. ... Denn der Austritt bedeutet nicht, das humanitäre Recht in Bezug auf den Einsatz von Antipersonenminen nicht zu respektieren. ... Natürlich können wir uns nicht damit begnügen, einfache Antipersonenminen zu produzieren, wie man sie aus dem letzten Jahrhundert kennt. Als Staat müssen wir in moderne Lösungen für so genannte 'intelligente' Minen investieren. Diese können erstens aus der Ferne deaktiviert werden. Zweitens lassen sie sich orten, so dass sie nach Beendigung der Kampfhandlungen leichter neutralisiert werden können.“