Was bewirkt die Solidaritäts-Demo für Le Pen?
Nach der Verurteilung der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen versammelten sich am Sonntag einige Tausend Anhänger ihrer Partei Rassemblement National (RN) zu einer Solidaritätskundgebung in Paris. Le Pen bezeichnete das Urteil bei der Demonstration als eine "politische Entscheidung", die den demokratischen Staat verhöhne. Europäische Kommentatoren erörtern die Tragweite der Kundgebung.
Ein Flop
Stefano Montefiori, Paris-Korrespondent des Corriere della Sera, hat nur den harten Kern des RN demonstrieren sehen:
„Rechts die goldene Kuppel [des Invalidendoms], links der Eiffelturm, in der Mitte das dreifarbige Fahnenmeer der Partei-Anhänger, denen Jordan Bardella mit etwas unpassendem Nachdruck zuruft: 'Sie wollten eine Stimme auslöschen, sie haben das französische Volk geweckt!' ... Abgesehen davon, dass das Rassemblement National auf mindestens 20.000 Menschen gehofft hatte und unabhängige Schätzungen von nur 6.000 sprechen, war der Place Vauban eindeutig halbleer. Mithin ist es etwas weit hergeholt, von 'dem Volk von Frankreich' zu sprechen. ... Bei der Demonstration waren nur die Loyalisten anwesend, nicht die imposante Menge, die dieser Kundgebung den Sinn 'der Verteidigung der Demokratie' gegeben hätte.“
Wird "Entteufelung" nun rückgängig gemacht?
Der Tages-Anzeiger sieht Anzeichen für einen Rückfall in alte Muster:
„Seit ihrer Verurteilung wegen Veruntreuung von mehr als vier Millionen Euro europäischer Gelder fliegen Le Pen die Herzchen der reaktionären Internationalen entgegen ... Dabei hat Le Pen in den vergangenen Jahren mit Macht und wider ihre natürlichen Regungen versucht, ihre Partei zu normalisieren, zu 'entteufeln', wie sie es selbst nennt. ... Auch Leute aus der Mitte der Gesellschaft wählen sie, solche, die früher eher bürgerlich rechts oder gar links gewählt haben. Die kann sie jetzt aber schnell wieder verlieren, falls sie wieder ganz in die radikale Sprache von früher zurückfällt, ins Teuflische. Und wenn sie sich umwehen lässt vom Schwarm der Schwurbler aus aller Welt. Er ist toxisch.“
Schlechte Vorzeichen für den Wahlkampf 2027
Dass sich Le Pen weiter als Präsidentschaftskandidatin aufspielt, macht La Croix Sorgen:
„Diese Art, die Auswirkungen eines ungünstigen Urteils zu leugnen, oder zumindest das Justizsystem in der Hoffnung unter Druck zu setzen, in der Berufung eine andere Entscheidung zu erreichen, ist nicht ohne Risiko. Denn so verbreiten die Verantwortlichen des RN die Idee, dass man unseren Institutionen nicht mehr trauen kann. ... Der derzeit besonders instabile internationale Kontext, unsere ohnehin schon fragilen Institutionen und das hohe Maß an Misstrauen gegenüber den politischen Entscheidungsträgern sollten uns dazu bewegen, gegenüber unseren demokratischen Regeln noch wachsamer zu sein. Wenn der Präsidentschaftswahlkampf 2027 gestern begonnen hat, dann hatte er einen sehr schlechten Start.“