Abwiegeln, Ignorieren, Desinteresse zeigen – das waren die Reaktionen prominenter rumänischer Journalisten und Verleger, als sie im vergangenen Jahr von Reportern des investigativen Portals recorder.ro damit konfrontiert wurden, dass ihre Medienunternehmen Gelder von Parteien bekämen.
Rumänien: Wer zahlt den "Preis des Schweigens“?
Der Preis des Schweigens ist hoch, allein im Jahr 2020 sollen nach Berechnungen der Nichtregierungsorganisation Expert Forum Zuschüsse in Höhe von 18 Millionen Euro geflossen sein.
Korruption und Selbstzensur
Nur 27 Prozent der Rumänen halten die rumänischen Medien für glaubwürdig. Dieser Vertrauensverlust ist allerdings nicht erst als Effekt der aktuellen Veröffentlichungen von Expert Forum eingetreten, vielmehr ist er über einen langen Zeitraum entstanden. Leser, Hörer und Fernsehzuschauer spüren sehr wohl die Einflussnahme auf die Redaktionen.
Die privatwirtschaftlichen TV- und Radiokanäle gehören oft umstrittenen Unternehmern, die ihre Medienkonzerne nutzen, um Druck auf die Gesetzgeber auszuüben oder um sich wirtschaftliche Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Gegen mehrere von ihnen laufen oder liefen Ermittlungen wegen Veruntreuung, Korruption oder Steuerbetrug. Einige haben bereits Haftstrafen verbüßt.
Viele Journalisten bäumen sich nicht mehr gegen die interessengesteuerte Politik ihrer Geldgeber auf. Sie hätten über Jahre gelernt, sich selbst zu zensieren, schrieb die Journalistin Sabina Fati 2022 im Blogportal der Deutschen Welle. Wer sich dagegen der Wahrheitsfindung verschreibt, muss damit rechnen, eingeschüchtert und diffamiert zu werden, wie die Journalistin Emilia Șercan, die mehrere Regierungspolitiker des Plagiats überführte.
So haben Journalisten und Manager im öffentlich-rechtlichen Rundfunk schon seit Jahren Angst, sich offen gegen eine politische Kontrolle zu stellen und scheitern damit an ihrem Auftrag einer unabhängigen Berichterstattung.
Ein Paradies für die TV-Branche
Das Fernsehen gilt als das beliebteste Medium im Land, immerhin gibt es über 550 Kanäle, die wichtigsten sind Pro TV, Antena 1 und Digi 24. Zu den beliebtesten Radiosendern gehören Radio Europa FM und Radio România, Nutzer empfinden sie in Umfragen auch am glaubwürdigsten. Während die TV-Branche – abgesehen von den Parteizuwendungen – weiterhin gute Einnahmen aus der Werbewirtschaft akquirieren kann, befinden sich die Printmedien im freien Fall. Alle Printmedien - ob Tageszeitungen wie Libertatea oder Adevărul oder die auflagenstärkste Boulevardzeitung Click, ebenso Fachzeitungen, wie die Sportzeitung Gazeta Sporturilor oder die Finanzzeitung Ziarul Financiar – verzeichnen seit Jahren einen dramatischen Auflagenverlust. Nur dank ihrer zumeist kostenlosen Online-Auftritte spielen sie im Mediengeschehen und für die Werbewirtschaft überhaupt noch eine Rolle.
Unabhängige Redaktionsteams, wie recorder.ro, g4media.ro oder riseproject.ro, betreiben Informations- und investigativen Journalismus. Sie versuchen, mit Spenden und Werbeeinnahmen über die Runden zu kommen. Zahlungen von Regierungsparteien lehnen sie kategorisch ab.
Rangliste der Pressefreiheit (Reporter ohne Grenzen): Platz 56 (2022)
Stand: April 2023