Olympia ohne russische Leichtathleten
Nachdem der Leichtathletik-Weltverband IAAF die russischen Leichtathleten wegen Dopings von Olympia in Rio ausgeschlossen hat, kommen am Dienstag IOC-Spitze und Vertreter nationaler Verbände in Lausanne zusammen. Es wird erwartet, dass sie die Entscheidung unterstützen oder gar auf weitere Sportarten ausdehnen. Trifft die Sperre die wahren Schuldigen?
Kollektivschuld ist ungerecht
Nach dem Ausschluss der russischen Leichtathleten von den Spielen in Rio könnte es am Dienstag beim Olympiagipfel in Lausanne noch weitere russische Sportverbände oder gar das gesamte russische Nationale Olympische Komitee treffen. Dies wäre denn doch zu viel, mahnt Lidové noviny:
„Hier geht es um etwas Beispielloses: eine präventive kollektive Strafe für ein ganzes Nationalteam hat es noch nie gegeben. Das ist auch von denen zu bedenken, die sich keine Illusionen über die Sauberkeit des russischen Sports und dessen Unabhängigkeit von der politischen Führung des Landes machen. Russland muss das wie eine Kriegserklärung erscheinen. Zudem hat Russland auch gute Argumente. Schon der olympische Gedanke beruft sich auf die Teilnahme aller. In der Olympischen Charta steht auch kein Wort über eine Entscheidungsvollmacht des Olympiagipfels. Und schließlich gibt es auch noch Werte, auf die sich der Westen beruft: dazu gehört die Ablehnung einer Kollektivschuld.“
Alle Sportverbände gleich behandeln
An Russlands Leichtathleten werden härtere Kriterien angelegt als an die anderer Länder, kritisiert die Tageszeitung taz:
„Der Ausschluss der russischen Leichtathleten mag notwendig sein, er wirkt aber nur dann glaubwürdig, wenn ihm andere Schritte folgen. In vielen Ländern, genannt seien nur Kenia oder Jamaika, ist das Niveau der Dopingbekämpfung lächerlich. Athleten dutzender Staaten erscheinen gar nicht erst auf dem Radar der Fahnder, andere wissen mit Knowhow und Chuzpe den Kontrollen zu entgehen. Wenn sich jetzt die Leute des [Internationalen Leichtathletik-Verbands] IAAF und der [Welt-Antidopingagentur] Wada als Saubermänner feiern lassen, die die bösen Triebe des Sports ausmerzen, dann sollte man genau hinschauen, ob sie bei anderen Verbänden und Nationen mit gleicher Elle messen.“
IOC darf keine Gnade walten lassen
Das letzte Wort hat das Internationale Olympische Komitee, das Hausrecht bei den Olympischen Spielen genießt und somit das Urteil des Leichtathletik-Weltverbands überstimmen könnte. Doch es sollte auf keinen Fall nachgeben, fordert der Irish Examiner:
„Es wäre ein Hohn für die Gerechtigkeit, wenn die Olympia-Funktionäre Russland und seinen Athleten eine spezielle Befreiung von der Sperre gewähren und ihnen damit eine Teilnahme an den Spielen in Rio ermöglichen. Wenn das passiert, und das ist ja durchaus möglich, dann würde das den Sport und all das, wofür die Olympischen Spiele als größtes Sport-Event stehen sollen, zum Gespött machen. Es würde überdies die völlig falsche Botschaft an junge Menschen aussenden: Der Zynismus des Dopings wird kaschiert, und einer verbitterten Welt, in der saubere Athleten zu Recht verehrt werden, wird vermittelt, dass Schummeln in Ordnung ist.“
Kreml muss Schuld anerkennen
Als gerechte Strafe und ein Signal an den Kreml versteht De Volkskrant den Ausschluss:
„Dass möglicherweise Unschuldige getroffen werden, ist gerade eine Folge der herrschenden Kultur in Putins Russland. Das Individuum wurde dem Interesse des Staats untergeordnet. Unter diesem Motto bauten die russischen Behörden einen großen Apparat auf, um ihre Sportler mit Doping zu versorgen und zu verhindern, dass sie erwischt werden. Nach der Entlarvung des geheimen Programms klagt Moskau nun über eine 'anti-russische Kampagne'. Vor allem die Weigerung der russischen Behörden, die Schuld anzuerkennnen, ist beunruhigend. ... Die Sperre aufzuheben, wäre das falsche Signal. Vor allem nachdem deutlich wurde, dass der russische Geheimdienst FSB an dem Dopingbetrug beteiligt war und Untersucher der Antidopingbehörde Wada bedroht hat, muss Moskau deutlich gemacht werden, dass Staatseinmischung unzulässig ist. Mit Klagen müssen sich 'saubere Sportler' an den Kreml wenden.“