Missbrauchsskandal um Oxfam
Mitarbeiter von Oxfam sollen Frauen in Haiti sexuell missbraucht haben. Der Vorwurf, die Männer hätten von Frauen in Notsituationen Sex als Gegenleistung für Hilfe verlangt, soll der internationalen Hilfsorganisation zudem schon länger bekannt gewesen sein. Wie kann Oxfam das Vertrauen von Gesellschaft und Spendern zurückgewinnen?
Verschweigen ist die eigentliche Schande
Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat Vorwürfe gegen ihre Mitarbeiter öffentlich gemacht. Solche Transparenz ist der richtige Weg, lobt La Repubblica:
„Die Welt der Hilfsorganisationen definiert sich nicht durch Übergriffe. Die Arbeit dieser Kolosse der Solidarität ist in vielen Fällen, in Kriegen, bei Naturkatastrophen und Hungersnot, unersetzlich. Sie zu reduzieren, oder schlimmer noch zu annullieren, würde nur bedeuten, die Welt ein wenig ungerechter, grausamer und ungleicher zu machen. … Der kritische Punkt ist der Mangel an Transparenz, mit dem Oxfam die schon bekannten Übergriffe behandelt hat. Man hat versucht, sie zu verschweigen, aus Angst, die Unterstützung der Geldgeber zu verlieren. Dieser Schuss ist nach hinten losgegangen. Deshalb tun andere Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen gut daran, auch ungefragt Übergriffe öffentlich zu machen.“
Sexualstraftäter haben es zu leicht
Hilfsorganisationen brauchen neue Strukturen, um Tätern in den eigenen Reihen das Handwerk zu legen, fordert The Guardian:
„Die Erkenntnis, dass sich Entwicklungshilfe-Organisationen bei der Ausbeutung von verwundbaren Frauen und Kindern durch mächtige, raubtierhafte Männer offenbar nicht von anderen gesellschaftlichen Gruppen unterscheiden, hat ihrem Ruf massiv geschadet. ... Wohltätigkeitsorganisationen müssen akzeptieren, dass die Oxfam-Enthüllungen sie alle belasten. Und sie müssen gemeinsam sicherstellen, dass Tätern das Vorgehen erschwert wird. Es braucht eine Art Passkontrolle für Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, verbunden mit einem regelmäßig aktualisierten Zentralregister. Des weiteren müssen Mitarbeiter vor Ort in gefährdeten Regionen ausgebildet werden, damit in Krisenfällen nicht so viele Freiwillige aus dem Ausland eingeflogen werden müssen.“
Auch NGO-Mitarbeiter sind keine Heiligen
Mitarbeiter von Hilfsorganisationen unter Generalverdacht zu stellen, wäre falsch, findet John Vandaele, Journalist des Entwicklungshilfe-Magazins MO, in De Morgen. Trotzdem sei im Fall Oxfam einiges schief gelaufen:
„Glaubwürdigkeit ist ein hohes Gut für jede Organisation, die behauptet, für eine bessere Welt zu arbeiten. Mitarbeiter von Entwicklungs-NGOs sind normale Menschen mit allen Schwächen, und sie handeln nicht immer in Übereinstimmung mit den hohen Idealen ihrer Organisation. ... Niemand erwartet, dass bei NGOs nur Heilige im Dienst stehen. Es wird aber erwartet, dass die Organisationen ihre Mitarbeiter gut begleiten, dass sie transparent sind und schließlich die richtigen Konsequenzen ziehen. ... Nur mit einem realistischen und energischen Vorgehen kann eine NGO ihre Glaubwürdigkeit erhalten.“