Le Pen will neuen Anstrich für Front National
Trotz ihrer Niederlage gegen Macron im vergangenen Jahr ist Marine Le Pen am Sonntag als Vorsitzende des Front National bestätigt worden. Sie kündigte an, der rechtsextremen Partei einen neuen Namen geben zu wollen und schlug Rassemblement National vor - etwa "nationaler Zusammenschluss". Ein Zeichen der Schwäche oder der Neustart für die Präsidentschaftswahl 2022?
In sich zerrissen und angeschlagen
Le Pens Wiederwahl und ein neuer Name können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Front National geschwächt ist, konstatiert Il Sole 24 Ore:
„Im Juni hat Marine Le Pen gegen Emmanuel Macron verloren. Der Wunderknabe wurde Präsident und vor allem der Mann, der mit einer neuen Strategie die gesamte französische Politik umgekrempelt hat. Ein Erdbeben, das auch den Front National nicht verschont hat. Der neue Name der Partei zusammen mit dem endgültigen Ausschluss von Jean-Marie Le Pen vermittelt den Eindruck, Marine Le Pen wolle weiter Kurs auf das politische Zentrum Frankreichs nehmen. Doch die Einladung des Ex-Strategen von Donald Trump, Steve Bannon, zum Parteitag in Lille besagt genau das Gegenteil. Eine provokative Initiative, Zeichen der Bemühung, die unterschiedlichen, kaum in Einklang zu bringenden Geister der Partei zusammenzuhalten.“
Erbitterter Konkurrenzkampf der Rechten
Marine Le Pen will offenbar der italienischen Lega Nord nacheifern, doch das wird nicht so einfach, erläutert Joëlle Meskens, Frankreich-Korrespondentin von Le Soir:
„Allein der Klang des Namens Matteo Salvini lässt ihr Gesicht erstrahlen. Marine Le Pen träumt sicherlich von einer ähnlichen Zukunft: sich mit der klassischen Rechten vermählen und diese dann wie eine Gottesanbeterin aussaugen. Eine ähnliche Strategie wird ihrer Nichte Marion Maréchal-Le Pen zugeschrieben, deren Beliebtheit innerhalb des FN Marine Le Pen gewiss nicht entgangen ist. Einer Vermählung muss aber zunächst einmal die Rechte selbst zustimmen. Republikaner-Chef Laurent Wauquiez verfolgt indes ein anderes Kalkül, das bereits seinem Mentor Nicolas Sarkozy 2007 verlockend erschien: Er will selbst radikaler auftreten, um dem FN die Wähler streitig zu machen. Am rechten Rand bahnt sich ein verbissener Kampf an.“
Nicht vorschnell abschreiben
Dass der Front National trotz Rückschlägen in jüngster Zeit eine rosige Zukunft vor sich hat, davon ist hingegen The Irish Times überzeugt:
„Es wäre ein frommer Wunsch anzunehmen, dass sich die Partei auf dem Rückzug befindet. Marine Le Pen erhielt im zweiten Durchgang der Präsidentenwahl im vergangenen Jahr beinahe elf Millionen Stimmen - fast doppelt so viele wie ihr Vater im Jahr 2002. Langfristig befindet sich die Partei, was die Unterstützung durch die Wähler angeht, im Aufschwung. Die letzten Wahlen in anderen europäischen Staaten legen außerdem keineswegs nahe, dass die Welle des Populismus abgeebbt ist. Bis zur nächsten Präsidentenwahl in Frankreich sind es noch vier Jahre. Die Partei hat also Zeit, sich zu erholen. Ihre Konkurrenten dürfen daher keinesfalls in Selbstzufriedenheit verfallen.“
Sammlungsbewegung am Puls der Zeit
Die Partei Marine Le Pens entwirft das Gegenprogramm zum von Macron vertretenen Globalismus, analysiert Frankreich-Expertin Ágnes Zsófia Magyar auf dem Meinungsportal Mandiner:
„Der Front National sieht im heutigen Frankreich den Menschen zur Handelsware verkommen und die Freiheit des Einzelnen nur noch auf der Achse Google-Apple-Facebook-Amazon garantiert. Er kritisiert auch, dass den Einwanderern mit milliardenschweren Sozialleistungen unter die Arme gegriffen wird, während die Mittelschicht und die Rentner unter der stetig wachsenden Steuerlast ächzen. Und er sieht Frankreich in der uferlosen Globalisierung versinken, wo Werte und Traditionen nicht mehr zählen. ... Indem sich der FN als nationale Sammlungsbewegung im Zeichen von 'Tradition, Sicherheit und Freiheit' versteht, streckt er seine Hand in Richtung all jener Wähler aus, für die es bislang psychologisch schwierig war, sie zu wählen.“