Glyphosaturteil: Millionenstrafe gegen Monsanto

Ein Geschworenen-Gericht in den USA hat die Bayer-Tochter Monsanto zur Zahlung von 254 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt. Die Firma habe den an Krebs erkrankten Gärtner Dewayne Johnson nicht ausreichend vor den Gefahren des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup gewarnt, urteilte das Gericht. Welche Konsequenzen hat das Urteil für die Landwirte und den Chemie-Konzern Bayer?

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The Guardian (GB) /

Landwirten beim Umstieg auf Bio helfen

Das Herbizid Roundup wird letztlich wohl verboten werden, ist die Umweltaktivistin Natalie Bennett in The Guardian überzeugt:

„Mit Roundup wird es sich genau so verhalten wie mit vielen anderen Giften, die der Nahrung, die wir essen, der Luft, die wir atmen, und dem Erdboden, der für uns lebenswichtig ist, beigemischt wurden. Sie alle wurden zunächst als Wundermittel eingeführt. Doch schon bald begannen erste Aktivisten und kranke Menschen sich zu fragen, was die Folgen sind. Die öffentliche Besorgnis nahm zu, und am Ende wurden sie verboten. ... Die Entfernung von Giften aus Europas Nahrungsmittelsektor und der Landwirtschaft wird der Gesundheit und der Umwelt dienen - und ist absolut machbar. Doch Landwirte brauchen Hilfe beim Umstieg auf brauchbare Alternativen zu Chemikalien. Vorbildlich sind dabei die Praktiken, die Landwirte im schnell wachsenden Bio-Sektor zeigen.“

tagesschau.de (DE) /

Den menschlichen Faktor unterschätzt

Monsantos langer Schatten wird seinen neuen Eigentümer, den deutschen Chemie-Konzern Bayer, wohl noch länger beschäftigen, vermutet tagesschau.de:

„Bayer hat in seiner Geschichte zwar schon einige Erfahrung mit langwierigen und teuren Prozessen wegen unerwünschter Nebenwirkungen von Medikamenten gesammelt. Aber die Lawine, die jetzt ausgelöst werden könnte, dürfte alles dagewesene übersteigen. Und dieses Problem haben sich die Leverkusener leichtfertig ins Haus geholt. ... Die Jury in amerikanischen Gerichten besteht aus Laien, die manchmal eher aus dem Bauch als auf der Grundlage von Fakten entscheiden. Damit sind sie dem normalen Verbraucher sehr ähnlich. Genau diesen menschlichen Faktor haben Monsanto und Bayer vollkommen unterschätzt.“

Newsweek Polska (PL) /

Urteil basiert auf Emotionen, nicht Fakten

Der Biologe und Wissenschaftsjournalist Łukasz Sakowski bezeichnet das Urteil in Newsweek Polska als absurd:

„Es wurde von einem Geschworenengericht gefällt, in dem weder Wissenschaftler noch Experten für Pflanzenschutz saßen, die die Situation und ihren Kontext hätten beurteilen können. Mit den Stimmen von Menschen, die emotional gerührt waren von der Krankheit des Klägers, wurde entschieden: Glyphosat hat den Tumor ausgelöst. ... Tatsächlich ist Glyphosat aber eines der am besten untersuchten und sichersten Pflanzenschutzmittel. Es blockiert ein Enzym, das in Pflanzen und einigen Mikroorganismen vorkommt, hat aber keinen negativen Einfluss auf Säugetiere, also auch nicht auf den Menschen. Außerdem wurde seine Toxizität als geringer eingestuft als die von Koffein, Vitamin B1, Vitamin D oder Aspirin.“

El País (ES) /

Was Monsanto der Tabakindustrie voraushat

Auf Pestizide kann die Landwirtschaft so leicht nicht verzichten, meint El País:

„Der Streit erinnert daran, wie Ende des 20. Jahrhunderts die Tabakkonzerne am Pranger standen. Wie damals ist rechtlich gesehen das Problem vor allem das Verheimlichen wichtiger Forschungsergebnisse. ... Doch auf die Monsanto-Produkte kann man weniger leicht verzichten. Ohne Pestizide würde die landwirtschaftliche Produktion drastisch sinken (in einigen Fällen bis zu 90 Prozent). Könnte der Planet ohne intensive Landwirtschaft und Pestizide so viele Tausende Menschen mit Nahrung versorgen? Greenpeace glaubt, dass es geht. Aber die Lösung liegt im Moment noch im vorsichtigen Einsatz dieser Produkte sowie im Verbot einiger von ihnen und definitiv in der Aufklärung der Verbraucher, bis weniger schädliche Mittel erfunden sind.“

Le Monde (FR) /

Lobby hat Behörden fest im Griff

Der französische Umweltminister Nicolas Hulot will den Pestiziden nun nach eigenen Worten "den Krieg" erklären. Le Monde ist da skeptisch:

„Die drastischen Worte sollen nur die offensichtliche Tatsache verschleiern, dass die öffentliche Hand in diesem Fall machtlos ist. Glyphosat ist nicht das schlimmste der Gifte, wie man oft sagt. Viele andere Pestizide sind viel problematischer. Aber es ist das, das weltweit am meisten benutzt wird, es ist omnipräsent. Und innerhalb von zwei Jahrzehnten ist es zum Grundstein der produktivitätsorientierten Landwirtschaft geworden, die weiterhin zu großen Teilen unantastbar bleibt - obwohl die verursachten Schäden immer deutlicher sichtbar und immer besser dokumentiert sind. Die Macht der Lobby zerstört das Vertrauen und schadet der Demokratie.“

Irish Examiner (IE) /

Mehr Macht dem Verbraucher

Eine Kennzeichnungspflicht des umstrittenen Herbizids sollte Verbrauchern zumindest den Verzicht ermöglichen können, fordert Irish Examiner:

„Die Unsicherheit [ob das Herbizid Roundup tatsächlich krebserregend ist] spiegelt sich in der Uneinigkeit internationaler Organisationen wider. ... Wie fast immer in solchen Fällen stecken sensibilisierte Verbraucher in einem Dilemma: Wem soll man glauben? In diesem Zusammenhang sollten Konsumenten zumindest eine neue Form der Kennzeichnungspflicht verlangen können, die klar zeigt, ob Roundup im Herstellungsprozess verwendet wurde oder nicht. Vielleicht wird es nicht verboten, doch wer das wünscht, sollte wenigstens in der Lage sein, Roundup zu vermeiden.“