Ukrainische Kirche ist unabhängig
Die neu gegründete orthodoxe Kirche der Ukraine ist offiziell unabhängig: Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel Bartholomäus I. unterzeichnete am Samstag in Istanbul den entsprechenden Erlass. Rund 27 Jahre nach der staatlichen Unabhängigkeit hat sich die Ukraine damit auch auf religiösem Gebiet von Moskau losgelöst. Welche Bedeutung hat der Schritt außerdem?
Eine Katastrophe für Putin
Diesen Schlag gegen Moskau hat der russische Präsident selbst zu verantworten, findet Gazeta Wyborcza:
„Wenn Putins Amtszeit heute enden würde, ginge er als Versager in die Geschichte ein, der zu verantworten hat, dass zunächst Georgien das Einflussgebiet seines Vaterlandes verlassen hat und jetzt auch die Ukraine. ... Ohne diese 'Provinzen' ist Russland kein Imperium mehr und Putin, falls wir ihn nicht dämonisieren, kann in der Geschichte seines Landes den Platz neben Michail Gorbatschow einnehmen, der von seinen Landsleuten für das Zerlegen der Sowjetunion verantwortlich gemacht wird. Putin trägt die volle Verantwortung. Denn er allein sorgte mit seiner Arroganz gegenüber den Nachbarn und seinen Kriegsabenteuern für die Niederlage des Reiches.“
Krieg untergegangener Imperien
Der Moskauer Priester und Religionsphilosoph Andrej Kurajew appelliert in Echo Moskwy an die Gläubigen, sich in dem Kirchenkonflikt nicht gegeneinander aufhetzen zu lassen:
„Die Ukrainische Orthodoxe Kirche braucht keine Autokephalie, die Russisch-orthodoxe Kirche braucht die Ukraine nicht. Was alle Orthodoxen brauchen, das ist Gedanken- und Gewissensarbeit. Sie würde ihnen die Zunge hüten, um Falschnachrichten und Propaganda nicht zu wiederholen. Und das Gespräch über die Kirche von Eigenlob zu kritischer Reflexion zu bringen. ... Ich möchte, dass man die Menschen nicht betrügt, sie nicht aufhetzt, sich für Phantome zu schlagen oder gar zu sterben. ... Im aktuellen virtuellen Krieg bekämpfen sich die Phantome des schon lange toten byzantinischen Reichs mit denen der ebenso toten Sowjetunion. Doch diese Leichen scheinen geneigt, frisches Blut zu trinken.“
Neue Kirche muss Stabilität zeigen
Der Kampf um die Unabhängigkeit ist noch längst nicht ausgefochten, meint der in den USA lebende Erzbischof Kyrylo Howorun in Nowoje Wremja:
„Die kirchliche und die staatliche Diplomatie müssen große Anstrengungen unternehmen, damit die ukrainische autokephale Kirche in der orthodoxen Welt angenommen wird. Ihre [formelle] Anerkennung durch das Ökumenische Patriarchat ist ein Schlüsselereignis, doch noch nicht ausreichend für die volle Legitimität. Inwieweit sich Kirchengemeinden und sogar Diözesen des Moskauer Patriarchats der unabhängigen ukrainischen Kirche anschließen werden, hängt davon ab, wie anerkannt sie in der Welt ist. Anfänglich werden sie sich nur langsam und schrittweise anschließen. Doch wenn die unabhängige Kirche Stabilität zeigt, wird sich der Prozess exponentiell beschleunigen. Wichtig ist, dass dies bereits 2019 geschieht.“