Türkei diskutiert wieder über das Kopftuch
Die derzeitige "10 Year Challenge"-Aktion in sozialen Medien hat in der Türkei eine besondere Wendung genommen: Hunderte Frauen zeigen, dass sie im letzten Jahrzehnt ihr Kopftuch ablegten, verbunden mit dem Hashtag Özgürleştik ("Wir haben uns emanzipiert"). Damit ist eine alte Debatte wieder auf dem Tisch.
Frauen erkämpfen sich die Freiheit
Die Kernaussage der Aktion ist Emanzipation, freut sich Gazete Duvar:
„Einst kämpften die Konservativen für das Kopftuch, dessen Verbot für sie [in der säkularen Türkei] ein Symbol großer Benachteiligung war. Jetzt behaupten vor allem junge Frauen, die ihr Kopftuch abgelegt haben, sich emanzipiert zu haben. ... Diese Frauen, die mittlerweile die Freiheit besitzen, das Kopftuch zu tragen, forderten nun noch mehr Freiheit. ... Wir sehen, dass in den letzten zehn Jahren die Zahl derer, die ihren Kopf nicht bedecken, von 34 Prozent auf 37 Prozent gestiegen ist. All das belebt die Hoffnung, dass Frauen die Welt verändern werden. Aus der frauenfeindlichen, maskulinen und konservativen Schleife, in die wir hineingefallen sind, werden wir vielleicht erneut mit dem Emanzipationskampf der Frauen herausfinden.“
Lasst doch endlich das Kopftuch in Ruhe!
Obwohl das Tragen des Kopftuches eine persönliche Entscheidung ist, wird es mit der Social-Media-Aktion erneut instrumentalisiert, klagt die islamisch-konservative Yeni Şafak:
„Das Kopftuch ist eines der wichtigsten Symbole der islamischen Religion. ... Da eine Befreiung vom Kopftuch auch eine Befreiung von der Religion bedeutet, können manche Medien ihre Freude nicht verbergen. ... Einst wurden die Verfechter der Freiheit, das Kopftuch zu tragen, mit Stöcken geschlagen. Die Geschichten derer, die ihr Kopftuch ablegten, sollen nun implizieren, dass das 'Frömmigkeits-Projekt' der Regierung gescheitert sei. Und zwischen den Zeilen soll folgende Botschaft vermittelt werden: 'Durch die Vetternwirtschaft und Rechtswidrigkeit der Regierung entfernen sich selbst Religiöse von der Religion'. Dies bedeutet, das Kopftuch zu politisieren. Lasst doch endlich das Kopftuch in Ruhe!“