Kommunalwahl in der Türkei: Anspannung bei der AKP
In der Türkei finden am Sonntag Kommunalwahlen statt. Erneut haben sich AKP und ultrarechte MHP zur "Volksallianz" zusammengetan. Doch diesmal stehen die Chancen des Oppositionsbündnisses rund um die CHP auch nicht schlecht. In Ankara wird das Bündnis laut Prognosen nach 15 Jahren die AKP ablösen. Auch Istanbul steht auf der Kippe. Kommentaren zufolge liegen die Nerven der regierenden AKP ziemlich blank.
Gefährliches Spiel für ein paar Stimmen
Wie nervös die AKP ist, zeigt sich für die Süddeutsche Zeitung daran, dass Erdoğan sich in einem Interview erneut dafür aussprach, die Hagia Sophia wieder in eine Moschee zu verwandeln:
„Erdoğan [zeigt sich] bereit, für den Stimmenfang sogar ein Symbol der säkularen Republik zu schleifen. ... Damit wirbt der Präsident um Unterstützung von Ultranationalisten und Islamisten. ... Der türkische Historiker İlber Ortaylı hat gesagt, die Türkei sollte stolz sein auf die Umwandlung der Hagia Sophia in ein Museum, weil sie damit Respekt vor fremder Kultur zeige. Diesen Respekt riskiert Erdoğan nun für ein paar Stimmen. Wahrscheinlich wird er es nach der Wahl nicht wagen, das Weltkulturerbe Hagia Sophia anzutasten. Aber er hat die Scharfmacher geadelt. Er wird sie nicht mehr loswerden.“
Neue Türkei entsteht nicht vor Gericht
Der Tages-Anzeiger lenkt das Augenmerk vor den Kommunalwahlen auf Tausende Gerichtsverfahren gegen politische Gegner von Präsident Erdoğan:
„Die türkische Zivilgesellschaft trifft sich derzeit öfter in Gerichtssälen als an irgendeinem anderen Ort. Vor den Richterbänken kann man sich dann die Frage stellen: Wovor hat dieser Staat eigentlich so viel Angst? Gewiss haben die Putschisten vom Juli 2016 ein Trauma hinterlassen, sie haben die Gesellschaft aus dem Gleichgewicht gebracht. Aber die Türkei hat so viele Krisen erlebt und überwunden, und selten hat sich der Staat so vor den eigenen Bürgern gefürchtet, hat ein Nachbar dem anderen so sehr misstraut. Erdoğan wollte eine neue Türkei. In den Gerichtssälen wird sie nicht entstehen.“
Spielen wir hier Demokratie-Theater?
Das türkische Innenministerium hat erklärt, dass mehr als 300 Oppositionsmitglieder Verbindungen zu Terrororganisationen hätten. Präsident Erdoğan kündigte an, dass ihnen nach der Wahl der Prozess gemacht würde. Karar kann es nicht fassen:
„Zur Wahl anzutreten steht ihnen frei, aber die Wahl zu gewinnen ist verboten? Wenn sie verlieren, sind die Denunzierten demnach unschuldig. Doch wenn sie gewinnen, gibt es ein Problem, dann werden sie als Verbrecher behandelt und dann wird ihr passives Wahlrecht außer Kraft gesetzt? ... Das Ansinnen, die Regierung auf kommunaler Ebene auszuwechseln, wird gleichgesetzt mit Putschverschwörung und Terrorismus. Folgende Frage wäre nun der Trumpf für die Opposition: Warum stellen wir dann überhaupt Urnen auf und halten Scheinwahlen ab, spielen wir hier Demokratie-Theater?“