Lässt Salvini die Koalition in Italien platzen?
Der italienische Vize-Premier Salvini geht nach dem Sieg seiner rechtsnationalen Lega gestärkt aus der EU-Wahl hervor. Herbe Verluste erlitt hingegen der Koalitionspartner Movimento Cinque Stelle. Salvini droht nun, die Regierung platzen zu lassen, sollten seine Vorhaben, insbesondere die Einheitssteuer, nicht durchgehen. Teils entsetzt, teils belustigt beobachten Kommentatoren die Muskelspiele.
Erstmal das Katz-und-Maus-Spiel genießen
So schnell wird Salvini die Koalition nicht auflösen, kommentiert Alessandro De Angelis, Vize-Chefredakteur von Huffington Post Italia:
„Die ersten, die überrascht von Matteo sind, sind seine eigenen Parteigenossen. Allesamt haben sie ihm geraten, nun abzukassieren [und die Regierung aufzukündigen]. Wohl wissend, dass nur er darüber entscheidet. ... Und Salvini hat entschieden, das Spiel fortzusetzen, in einem Klima, in dem er sich als Gott oder einfach nur schon jetzt als Regierungschef fühlt. Es geht für ihn weniger darum, den möglichen Bruch der Koalition einzuleiten, als darum, die Situation auszukosten. Der Chef der Lega weiß, dass er das Land hinter sich hat, während seine Verbündeten von der Möglichkeit vorgezogener Wahlen eingeschüchtert sind.“
Berlusconis Erben könnten Königsmacher werden
Italien könnte bald endgültig in die Hände der Rechtsextremen fallen, fürchtet El Periódico de Catalunya:
„Das Resultat der Europawahl erlaubt es Salvini, mit Zuversicht auf eine vorgezogene Neuwahl zu setzen. Gleichzeitig verstärkt es bei den Cinque Stelle die Angst vor einem Einbruch. ... Oder anders ausgedrückt: Es besteht die Gefahr, dass nach einer vorgezogenen Neuwahl die Rechtsextremen die politische Lage bestimmen, zusammen mit den zur Zeit noch zersplitterten Berlusconi-Erben. Das alles resultiert aus einem sehr instabilen Parteiensystem, das nicht in der Lage ist, mit einer gravierenden sozialen Krise fertig zu werden.“
Groteske Pläne
Seine Vorhaben, Steuern zu senken und gleichzeitig neue Sozialprogramme aufzulegen, sollte Salvini schleunigst abschreiben, meint der Tages-Anzeiger:
„Italien kann sich nichts davon leisten. Die Staatsschulden wachsen, mittlerweile sind sie bei fast 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angelangt. ... Und da die italienische Wirtschaft stagniert, wird das noch eine Weile so bleiben. Die Gestaltungsfreiheit für das kommende Budget ist also minimal. Salvini weiss das, darum brüllt er. Er weiss auch, dass sich die europäischen Regeln, die Italien allesamt in seine nationale Gesetzgebung übertragen hat, nicht über Nacht ändern lassen. Niemand will das, nicht einmal seine neuen Freunde im Europaparlament, die Alliierten aus der 'Internationalen der Souveränisten'.“
Auch Salvini kann die Sonne nicht erreichen
Der Lega-Chef sollte aus Griechenlands Krise lernen, findet Naftemporiki:
„Salvini hat gezeigt, dass er das italienische Volk bezaubern und auf seine Seite ziehen kann. Politisch gestärkt, demonstriert er seine Stärke den Brüsseler Technokraten. Genau so verhält er sich auch im Inland und droht, die Regierung zu stürzen, wenn es keinen Konsens über Steuersenkungen gibt. Vielleicht sollte er an das Beispiel Griechenlands denken und daran, welchen Preis das Land für den Vertrauensverlust auf den Märkten gezahlt hat. Er sollte sich an die griechische Mythologie erinnern, um seine Flügel nicht zu verbrennen, wie es Ikarus passierte, als er meinte, die Sonne erreichen zu können.“