Sozialisten von Premier Costa siegen in Portugal
Die Sozialistische Partei (PS) von Ministerpräsident António Costa hat mit knapp 37 Prozent der Stimmen die Parlamentswahl in Portugal gewonnen. Die erhoffte absolute Mehrheit verfehlte sie jedoch und ist somit weiter auf Unterstützung anderer Parteien angewiesen. Wie es Costa gelungen ist, die Wähler zu überzeugen und vor welchen Herausforderungen er nun steht, erklären Kommentatoren.
Triumph für ideologiefreien Pragmatismus
Erfolgreich ist Costa vor allem, weil er sich von linker Ideologie weitgehend befreit hat, erklärt El Mundo:
„Die Portugiesen unterstützen den Pragmatismus der Linken. Indem diese sich von unrealistischen Maximalvorstellungen und nicht umsetzbaren populistischen Forderungen verabschiedeten, betrieb Portugal in den vergangenen vier Jahren orthodoxe Wirtschaftspolitik unter Brüssels Vormundschaft. Sie hat das Land vor dem Bankrott gerettet. Ein harter Sparkurs, starke Steuererhöhungen für die Mittelklasse und Steuererleichterungen für ausländische Investoren stecken hinter dem portugiesischen Wunder. Die Schuldenlast ist allerdings enorm und die wirtschaftliche Instabilität gibt Anlass zur Sorge: Lissabon zeigt bereits erste Symptome einer Rezession.“
Europas Sozialdemokraten erholen sich
Für Népszava ist das portugiesische Wahlergebnis ein Grund zum Optimismus für Europas Sozialdemokratie:
„Die Wahlen in Portugal am Sonntag haben bestätigt, dass die sozialistischen beziehungsweise sozialdemokratischen Parteien in Europa nach einer rund zehn Jahren andauernden Krisenperiode immer stärkere Lebenszeichen von sich geben. In Finnland und dann in Dänemark haben sie die Parlamentswahlen gewonnen und in Spanien haben sie alle Chancen auf den Sieg. ... Der portugiesische Premier António Costa hat mit einer riskanten Wirtschaftspolitik experimentiert, als er 2015 eine Minderheitsregierung geformt hat. Später wurde er aber so erfolgreich, dass er zum Beispiel für die spanischen Sozialisten als Vorbild diente.“
Wahlsieger auf der Suche nach Unterstützern
Costas Sozialisten bleibt wenig Spielraum, neue Bündnisse zu testen, meint Diário de Notícias:
„Die schwachen Wahlergebnisse der Kommunisten sowie des Linksblocks beeinträchtigen deren Verhandlungsmacht und hindern sie daran, ihre eigenen Ziele in einem Bündnis mit den Sozialisten durchzusetzen. ... Das Ergebnis der Sozialisten erlaubt es aber nicht, nach neuen Partnern für eine stabile Mehrheit zu suchen, denn die fünf Mitglieder der PAN [Partei für Tier- und Naturschutz] und die [links-grüne Partei] Livre erreichen keine neue Mehrheit im Parlament. Eine Einigung mit der [konservativ-liberalen] PSD wäre, außer in Ausnahmefällen, Selbstmord für beide Parteien.“
Stiller Protest der Abgehängten
Für den Deutschlandfunk ist die geringe Wahlbeteiligung Anlass zur Sorge:
„[D]ieses Ergebnis zeigt schlicht, dass knapp die Hälfte der Bevölkerung der politischen Klasse misstraut, dass eine immense Politikverdrossenheit herrscht. Vor allem unter den abgehängten Portugiesen - die, die vom Aufschwung der vergangenen vier Jahre eher wenig mitbekommen haben und vom Mindestlohn leben, der bei gerade einmal 600 Euro im Moment liegt. Während in Spanien und in Griechenland die Menschen in der Krise lautstark auf die Straße gegangen sind und die Zustände in ihren Ländern angeprangert haben, protestieren Portugiesen im Stillen. Durch eine massive Wahl-Enthaltung zum Beispiel. Sie zeigt, dass in Portugal eben doch noch nicht alles wieder glänzt.“
Vorbild für Europas Linke
Den Wahlsieg der Sozialisten erklärt NRC Handelsblad:
„Die Regierung Costa machte aus dem Sorgenkind der EU eine Vorbildnation für Sozialisten aus anderen europäischen Ländern. ... Portugal ist in Zeiten von Brexit, aufkommendem Populismus, unvorhersehbarem Terrorismus und Separatismus in Katalonien eine ausgeglichene Nation, in der sich ausländische Gäste wohl fühlen. ... Die Sozialisten spielten ein riskantes Spiel, indem sie neue Sparmaßnahmen ablehnten, aber dennoch vollzog sich das unerwartete Wunder. Die Wirtschaft zog auch Dank der Investitionen an, die Arbeitslosigkeit ging zurück und sowohl das Haushaltsdefizit als auch die Staatsverschuldung sanken.“
Premier sorgt für Stabilität im Land
Regierungschef Costa hat auch ganz persönlich den Wahlsieg ermöglicht, meint El Periódico de Catalunya:
„Sein Verhandlungsgeschick im Parlament hat dem Land Stabilität verschafft, in Brüssel hat er damit an Ansehen gewonnen und er konnte die Legislaturperiode zu Ende bringen. Zusammenfassend gesagt konnte sich seine Politik bei den Wählern ohne große Gegenargumente sehen lassen. ... Portugal hat natürlich noch einen langen Weg vor sich, denn es muss die 50 Milliarden Euro Rettungsgeld aus Krisenzeiten an Brüssel zurückzahlen. Aber Costa hat sein Ziel erreicht: Auch wenn er die absolute Mehrheit verfehlt hat, wollte er sich zumindest genügend Bewegungsfreiheit verschaffen, um eine Koalition nach seinem Gusto zu schmieden.“
Es kommen schwierige Zeiten
Die wahren Probleme beginnen für António Costa erst jetzt, prophezeit La Repubblica:
„Der 'weiche' Sparkurs, der Portugal aus der Krise geführt hat, ohne den Staatshaushalt zu sprengen, wird jetzt seiner härtesten Belastungsprobe unterzogen, nämlich durch die Konjunkturflaute auf dem gesamten alten Kontinent. Der 58-jährige Chef der Sozialistischen Partei kann zwar die Champagnerkorken knallen lassen: Das Wahlergebnis erlaubt es ihm, sich die Regierungspartner auszusuchen, und die nächste Exekutive sieht, zumindest auf dem Papier, viel robuster aus als die vorherige. ... Doch Costa fehlt eine seiner wichtigsten Verbündeten: die brillante Wirtschaftslage, die Lissabon seit 2015 die Milliarden garantierte, die es brauchte, um 'das Blatt zu wenden'.“