Frankreich: Treibt Le Pen Macron vor sich her?
Laut jüngsten Umfragen zu den 2022 anstehenden Präsidentschaftswahlen hat sich der Vorsprung Emmanuel Macrons auf Marine Le Pen signifikant verkürzt. Ein Interview im rechtskonservativen Wochenmagazin Valeurs actuelles zu den Themen Zuwanderung, Kommunitarismus und Kopftuch legt nun nahe, dass Macron sich der rechten Wählerschaft zuwenden will. Die Presse hält das für gefährlich.
Der Präsident spielt mit dem Feuer
Macrons rückt klassische Themen Le Pens in den Fokus, sorgt sich Le Monde:
„In diesem Zusammenhang besteht die große Herausforderung bei der Wahl nicht mehr darin, Mehrheiten für Ideen zu finden, sondern zu versuchen, das Vorankommen des Gegners zu stoppen, indem man sich um den Rand, also den Teil der Wählerschaft bemüht, der für dessen Thesen am empfänglichsten ist. Das Spiel ist nicht ohne Risiko, denn anstatt [die gegnerischen Thesen] wie vorgegeben zu bekämpfen, kann die so entstehende Dreieckskonstellation auch dazu führen, dass sie an Bedeutung gewinnen. Aus ideologischer Sicht kann sich Marine Le Pen über die Entwicklung nicht beklagen: In den Medien ist sie weniger präsent, aber die Themen, auf die sie seit Jahren setzt, die enge Verknüpfung von Sozialem und Identitätskrise, beherrschen die Debatte, ohne dass der Präsident Lösungen dafür gefunden hat.“
Fixierung auf Duellanten gefährdet die Demokratie
Die Reduktion der kommenden Präsidentschaftswahl auf ein Duell zwischen den beiden Finalisten von 2017 schadet der politischen Kultur Frankreichs, mahnt der Historiker Maxime Tandonnet in Le Figaro:
„Das Opfer dieses Szenarios hat einen Namen: Es heißt Demokratie. Welche Botschaft richtet man zweieinhalb Jahre vor der Wahl an Frankreich? Alles ist im Vorhinein erledigt, gefaltet, eingetütet, abgeriegelt, entschieden. Das Ergebnis von 2022 wird - egal, was passiert, und auch, wenn Sie es nicht wollen - eine Wiederholung von dem von 2017 sein. In unserem System, in dem die Präsidentschaftswahl die Parlamentswahl entscheidend beeinflusst und zu einem Anhängsel degradiert, und in dem die narzisstische Personalisierung der Macht die Debatte über Ideen und das Allgemeinwohl zermalmt, wird jegliche Ungewissheit ausgerottet und Frankreichs Wahlschicksal im Vorhinein bestimmt.“