Hochwasser in Venedig: Katastrophe mit Ansage?
Seit vergangener Woche ist Venedig bereits drei Mal überflutet worden. 70 Prozent der Stadt stehen unter Wasser. Kommentatoren ärgern sich, dass die hohen öffentlichen Ausgaben nichts gegen die aktuelle Misere bewirken konnten und fordern eine Rückbesinnung auf den unternehmerischen Geist der Renaissance.
Klientelismus ist das wahre Übel
Italien versinkt im Sumpf des Klientelismus, klagt der Politologe Alberto Mingardi in La Stampa:
„Das Hochwasser in Venedig, die Überschwemmungen in der Emilia-Romagna und der Toskana, das von der Welt abgeschnittene Pustertal. Der Eindruck, der Naturgewalt ausgeliefert zu sein, ist unerträglich, umso mehr in einem Land, in dem die öffentlichen Ausgaben die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts ausmachen: Wozu einen Staat, der so viel kostet, wenn er uns nicht einmal vor 'extremen' Ereignissen wie diesen schützt? … Die Schwierigkeiten dieser Tage enthüllen ein offenes Geheimnis: Die italienischen Ausgaben werden schlecht eingesetzt. Sie tragen den Stempel des Klientelismus, der seit Jahrzehnten die politischen Entscheidungen prägt.“
Der venezianische Geist muss wieder aufleben
Die ruhmreiche Geschichte Venedigs steht in starkem Kontrast zu seinem derzeitigen Zustand, findet Kathimerini:
„Venedig wurde 697 in einem Sumpf gegründet, damit die Bewohner ihren Feinden ausweichen konnten. Es hielt dort stand, wurde reich und beherrschte auf dem Höhepunkt seiner Geschichte den Handel zwischen Europa und Asien ... Wenn man die Geschichte Venedigs mit seinem gegenwärtigen Schicksal vergleicht, kann man sich nur fragen, warum der alte Geist nicht eingesetzt wird, um die Stadt zu retten. Ein großes Hochwasserschutzprojekt, das 2011 hätte abgeschlossen sein sollen, versumpft in Skandalen und es ist unklar, wann es fertig sein wird und ob es ausreicht, um die Stadt zu retten.“
Klimawandel verschlafen
Italien tut immer noch so, als gäbe es keine Klimakrise, poltert La Repubblica:
„Angesichts dessen, was in Venedig geschieht, können nicht einmal die hartnäckigsten Leugner des Klimawandels so tun, als ob sie dessen Auswirkungen nicht sehen würden. ... Die Europäische Union lädt seit Jahren ihre Mitgliedsländer dazu ein, 'nationale Klimaanpassungspläne' zu verabschieden. ... Auf der Grundlage dieser Pläne sollen 20 Prozent des Gesamtbetrags aus Gemeinschaftsmitteln bereitgestellt werden. Diese sollen zur Sicherung der gefährdetsten Gebiete eingesetzt werden. ... Ein kleines Detail: Fast jedes Land hat einen 'Klimaanpassungsplan' entwickelt, nur Italien nicht, soweit wir wissen. Doch es ist genau das, was notwendig wäre, um zu vermeiden, dass das Land gezwungen ist, sich in einem ständigen Notzustand zu bewegen.“
Hochwasserschutz versinkt im Sumpf der Korruption
Das Hochwasserschutz-Projekt "Mose", eine milliardenschwere Flutsperre, wurde jahrzehntelang verschleppt und ist noch immer nicht fertig, schimpft Corriere della Sera:
„Das verheerende Hochwasser von 1966 löste weltweite Empörung aus. Venedig, Venezien, Italien wurden angemahnt, eine Lösung zu finden. 'Wir haben keine Zeit zu verlieren', sagten alle. Dann zog sich das Wasser zurück, der Schlamm trocknete, die Tische der Bars kehrten an ihren Platz zurück und mit den Tischen sogar die Sonne. ... Die 'sehr dringenden' Arbeiten wurden 'dringend', dann in kurzer Zeit 'notwendig', dann in den Debatten gänzlich verwässert. … Sie dachten fast zwanzig Jahre lang darüber nach, bevor sie sich entschieden, Mose zu bauen. ... Drei Jahrzehnte und länger, gezeichnet von Kontroversen, Verschwendungen, Schmiergeldern, Verzögerungen, gerichtlichen Ermittlungen, Handschellen, Rücktritten, Kommissaren.“