Irland-Wahl: Taugt Sinn Féin zur Regierungspartei?
Die Iren wählen am Samstag ein neues Parlament. In Umfragen liegt die linksnationalistische Sinn Féin vorne. Wegen ihrer historischen Verbindungen zur Terrororganisation IRA ist die Partei heftig umstritten. Kommentatoren diskutieren, ob man ihr dennoch die Regierungsverantwortung übertragen sollte und welche Hoffnungen Wähler in Sinn Féin setzen.
Eine Bedrohung für die Demokratie
Einer Partei wie Sinn Féin darf man keinesfalls Regierungsverantwortung übertragen, warnt The Irish Independent:
„Privatarmeen sind ein Affront gegen die Demokratie. Seit der Auflösung der baskischen ETA ist Sinn Féin die einzige politische Partei in den Mitgliedsstaaten [der EU], die eine Privatarmee hinter sich hat. ... Eine Partei wie Sinn Féin an der Regierung zu beteiligen, würde die demokratische Substanz des Landes nicht stärken. Im Gegenteil, es würde sie gefährden. Jene, die beabsichtigen, am Samstag Sinn Féin zu wählen, sollten sich dessen bewusst sein - und Politiker, die eine Koalition mit Sinn Féin erwägen, ebenso.“
Linker Patriotismus begeistert die Jugend
Der von der heutigen Sinn Féin propagierte Linkspatriotismus hat mit dem IRA-Terror der Vergangenheit nichts mehr zu tun, verteidigt The Guardian die Partei:
„Die Wählerschaft will Veränderung, und sie sucht danach im linken Spektrum. Sinn Féin profitiert von dieser Stimmung am meisten. ... Die Beliebtheit der Partei rührt nicht nur daher, dass sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, obwohl das sicher auch eine Rolle spielt. Für junge Wähler ist die Verbindung von Sinn Féin mit der IRA Geschichte. Ihr Republikanismus schreckt nicht mehr ab, sondern spricht eine Generation an, die eine moderne irische Identität erschafft und annimmt, die durch einen neuen, integrativen Patriotismus geprägt ist. Mary Lou McDonald ist als Parteichefin sehr beliebt, vor allem bei jüngeren Frauen.“
Späte Rache der Krisenverlierer
Warum die irische Wählerschaft offenbar nach links gerückt ist, erklärt Kolumnistin Una Mullaly in The Irish Times:
„Wir definieren und beschreiben typisch linke und typische rechte Politik nicht mehr so wie früher. Doch was die irische Wählerschaft zu fordern scheint, ist eine besondere Art von Veränderung, die mehr mit linken Ideen und Idealen zu tun hat als mit dem schlingernden Mitte-Rechts-Kurs, den sie mit den beiden [traditionell stärksten] Parteien Fine Gael und Fianna Fáil erlebt hat. ... Könnte es sein, dass diese Wahl tatsächlich ein Echo der Rezession [in Folge der Finanzkrise 2008] ist? Dieser Absturz war der seismische Erschütterungsmoment im Leben vieler Iren. Es ist jetzt sehr klar, dass viele Menschen unzufrieden und vielleicht sogar aus moralischer Sicht dagegen sind, wie mit den Folgen umgegangen wurde.“
Teure Wahlversprechen
Viele der im Wahlkampf präsentierten Pläne und Vorschläge sind nicht finanzierbar und gefährden das Wachstum, kritisiert Irish Examiner:
„Alle Parteien versprechen, die staatlichen Ausgaben deutlich zu erhöhen. Das ist gut und schön, so lange die Wirtschaft brummt. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass höhere Ausgaben, wenn sie beschlossen werden, rasch zu einem fixen Bestandteil des Systems werden. Sie können nur sehr schwer rückgängig gemacht werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage wendet. Und dann sind es die Steuerzahler, die den Preis dafür zahlen. Letztendlich stammen die Mittel zur Finanzierung der Ausgaben für staatliche Leistungen aus wirtschaftlicher Tätigkeit. Wir sollten uns vor Maßnahmen hüten, die das Wachstum beeinträchtigen könnten.“